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56. *Schůtzenfeste. 
Mach Peter Fernau, Heft 35 der „Woche“ von 1912.) 
Schützenfeste sind wie die Schützengilden uralt. Die Oldenburger 
Schützenzunft wurde im Jahre 1192 gegründet. In Thorn und Ander— 
nach wird das Schützenfest seit 550 Jahren gefeiert, während die Ulmer 
und Passauer seit 00 Jahren, die Brandenburger und Pforzheimer seit 
350 Jahren ihr Schützenfest haben. 
In alten Zeiten waren die Schützenkompagnien bestellt zur Aufrecht⸗ 
erhaltung der bürgerlichen Ordnung und zur Abwehr von fremden Ge— 
fahren. Unsern heutigen Blicken erscheint ein Schützenschwarm als ein 
Symbol des allertiefsten und allerseligsten Heimatfriedens, der nur dann 
in harmloser Weise und für kurze Zeit gestört werden kann, wenn — 
wie es ja leider nicht selten vorkommt — der Becher allzu oft die Runde 
gemacht hat. In früheren Zeiten wirkte das kriegerische Gewand des 
Schühen ernst und tröstend, und wenn damals kirchliche Prozessionen 
einherzogen und die Schlächtermeister mit ihrer Lammgottesfahne gleich 
hinter dem Allerheiligsten geschritten kamen, so folgten die Schützen immer 
mit ihrem Sebastianspanier mindestens an zweiter Stelle; denn Sebastian, 
der Änführer der kaiserlichen Schützen, der von heidnischen Pfeilen den 
Märtyrertod empfing, war der Schützen Schutzpatron. 
In jüngerer Zeit schwand die malerische Sondertracht und der kriege⸗ 
rische Pomp dieser mannhaften Gilde immer mehr. Nur noch ältere 
Leute tragen bei festlichen Gelegenheiten die kleidsame urbehagliche Tracht 
der alten Bürgermilitärsoldaten unter den alten ehrbaren Titeln der alten 
Miliz Inmer mehr drängt sich ein schlichter gefärbtes, jägerartiges 
Kleid auf. In altfränkischen Orten wählt man zu diesen Festen noch 
immer den Frack und jene dazu so schön passenden Zylinderhüte, die oft 
den vollstümlichen Namen, Dintenproppen“ ehrlich verdienen. In andern 
Gegenden verschmäht man das moderne Feldgrau, weil man nicht un— 
bemerlt im Gelände verschwinden will und wählt die lachend grüne Farbe. 
berall aber fehlt es nicht an Musik und an festlich geschmückten Kindern, 
und bei aller Heiterkeit und Verträglichkeit gedeiht dann überall eine ge— 
sunde und stolze Vaterlandsfreude. 
Nur selten hört man, daß die Verträglichkeit auf der Höhe des 
Festes in die Bruͤche geht. Die handfeste Art der Schützen sorgt ge— 
wöhnlich schon ganz automatisch, daß die heiteren Kreise nicht zerstört 
werden, und daß sich kein Unberufener und Unbeliebter vordränge; und 
als es vor ein paar Jahren in einem norddeutschen Städtchen einem all— 
gemein wenig beliebten Mann gelungen war, durch hinterlistige Treffsicher⸗ 
heit den besten Schuß zu tun, wurde er dennoch nicht zum König ernannt 
Und bekam auch keinen Preis, und das hohe Gericht stellte sich sogar auf 
den sonst gar nicht schützenhaften Standpunkt, daß der Unbeliebte kein 
juristisches Recht auf die Einklagung des Schützenpreises habe, da „so 
ein Preisschießen einem Glückspiel gleich“ zn achten und so ein Preis 
nicht einzuklagen sei. Im allgemeinen verlaufen aber seit Urzeiten fast 
alle Schutzentage friedlich und würdevoll. 
Schon im Mittelalter hielt man bei solchen Gelegenheiten streng auf 
Ordnung und betraute mit ihrer Durchführung einen sogenannten ihen
	        
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