Aus dem Vorwort der ersten Auflage.
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In der Erziehung zur Arbeit, zur Arbeitsfreude und zum Arbeitsstolze liegt
die Loösung des großen Problems der sozialen Frage. Das 19. Jahrhundert sollte
die Volksschule, das 20. Jahrhundert wird die Fortbildungsschule ausbauen. Trotz
mancher schoͤnen Erfolge sind wir aber in der Fortbildunasschule noch im Werden beariffen.
Wir haben den Grundsatz verlassen, daß wir in der Fortbildungsschule vor⸗
wiegend der allgemeinen Bildung dienen wollen und erkannt, daß der bergeversetzende
Erwerbssinn, da i. die praktische Arbeit, Ausgangs-— und Zielpunkt unseres Fort⸗
ee sein müsse. In dieser Erkenntnis führt uns die Frage nach
dem Wie? verschiedene Wege mehr oder weniger sicher. „Der Beruf muß im
Mittelpunkte alles Fortbildungsschulunterrichtes stehen.“ Indem wir
diesen Satz als Richtschnür unseres Tün und Lassens in der Fortbildungsschule fest⸗
legten, gelangten wir sehr bald zur fachlichen Durchbildung des Unterrichts in den
großen, mehrere Hunderte oder gar Tausende von Schülern zählenden Fortbildungs⸗
schulen der Mittel- und Großstädte. Wir sahen eine Art niederer Gewerbe- oder
Fachschulen entstehen und sich weiterentwickeln. Diese Anstalten mühen sich angesichts
der immer mehr zunehmenden Teilung und Spezialisierung der Arbeit augenscheinlich
ab mit der Lösung der Aufgabe: Wie erzielen wir im Fortbildungsschulunterrichte
den größten Nutzeffekt für die Berufspraxis, ohne daß für den ethischen Menschen
die Gefahr einer Unterernährung eintritt?
Auf dem IR. deutschen Fortbildungsschultage von 1906 in München wurde
den deutschen Fortbildungsschulmännern gezeigt, wie im Fortbildungsschulunterrichte
theoretischer und praktischer Unterricht wirksam zu verbinden sei. Die nüchterne
Überlegung aber drängt gleichwohl die Überzeugung auf, daß zunächst nur die
größeren Städte diesem Beispiele folgen können. Für die kleinen und kleinsten Fort—
hildungsschulen ist es unmoöglich, dem Unterrichte das reine Fachprinzip zugrunde
zu legen, die Fortbildungsschülen der Mittelstädte werden, je nach den öͤrtlichen Ver—
hältnissen, nur für bestimmte Gewerbe Einberufsklassen bilden können, im übrigen
aber Berufsgruppenklassen einrichten müssen. Selbst in den Großstädten werden bei
den weiten Entfernungen) für einige Berufszweige sich schwerlich reine Berufsklassen
mit aufsteigenden Stufen bilden lassen. In den meisten Fortbildungsschulen wird
man die werbende Arbeit des deutschen Staatsbhürgers an Stelle des
Spezialunterrichtes für einen Beruf in den Mittelpunkt des Fort⸗
bildungsschulunterrichtes siellen müssen.
— Greift einerseits die Arbeitsteilung, die Spezialisierung der Arbeit, immer
weiter um sich, so laäßt sich andrerseits eine fortschreitende Verkettung der Gewerbe
und einzelnen Arbeusprozesse unleugbar nachweisen. Insbesondere hat unsere
industrie die Tendeng, eine Reihe von Berufszweigen in sich zu vereinigen. Je mehr
sich diese Tendenz nach dem amerikanischen Standardprinzipe (der einseitigen Aus-—
bildung auf kleinstem Arbeitsgebiete) verstärkt, desto ungünstiger müssen die Aus—
bildungsverhältnisse für unsere gewerbliche Jungmannschaft werden. Die Fahrik—
werkstãtte kann und wird in ihrem eigenen Junteresse die Ausbildung nach dem
Standardprinzipe nicht immer von der Hand weisen können. Auch in vielen Hand—
werlszweigen ist die Spezialisierung heutzutage schon derart fortgeschritten. daß eine
allfeitige Ausbildung des Lehrlings selbsi beim besten Willen des Lehrherrn kaum
noch erfolgen kann. Hier dann, foll und muß die Fortbildungsschule eingreifen.