c*
362
c
oder Mutterwolle. Die Menge der Wolle, die ein Tier hierbei liefert,
ist nach Rasse und Geschlecht verschieden. Wird die Wolle am toten Tier
geschnitten oder von dessen Haut mit Hilfe von Kalk getrennt, so nennt
man sie Haut-, Sterblings- oder Gerberwolle. Sie ist von geringerem
Wert als Schurwolle, besonders wenn sie mit Kalk von der Haut des
Schafes entfernt wird.
2. Die Schafwolle wurde im Abendlande schon in früher Zeit ver—
wendet, während sie in den asiatischen Ländern, die zur Schafzucht wenig
geeignet sind, immer eine untergeordnete Rolle gespielt hat. In diesen
Ländern ist aber die Wolle mancher Ziegenarten, die sich durch besonderen
Glanz auszeichnen, von jeher zu feinen Gespinsten verarbeitet worden.
Die Heimat der europäischen Schafzucht ist Spanien, wo schon im
Altertum das dort lebende Merinoschaf gezüchtet wurde. Von hoher
Bedeutung war es, daß das Merinoschaf im Jahre 1765 in Sachsen
eingeführt wurde; dieses Tier liefert die dünnste und feinwelligste Wolle.
Von größtem Erfolge war die Einführung der Schafzucht in Australien
und Neuseeland am Ende des vorigen Jahrhunderts. Die ursprünglich
straffen, unbrauchbaren Haare dieses Schafes verwandelten sich bald unter
dem Einfluß des australischen Klimas in gute Wolle. Gegenwärtig liefert
das australische Schaf, veredelt durch Kreuzung mit englischen Schafen
und Merinos, eine Wolle, die der besten Merinowolle an die Seite gestellt
werden kann. Auch in Südafrika, Südamerika, namentlich in Chile und
in den Laplatastaaten, wird seit langer Zeit die Schafkultur in großem
Maßstabe betrieben. In Nordamerika ist sie in neuerer Zeit rasch empor—
geblüht und dürfte bald sehr bedeutend werden. Die Wolleinfuhr nach
Europa nimmt beständig zu, denn die Wollindustrie wird immer bedeutender.
Der Handel mit der außereuropäischen Wolle liegt fast ganz in den
Händen der Engländer. Rußland bringt fast die Hälfte der in Europa
erzeugten Wolle hervor.
Man findet im Handel etwa 50 verschiedene Arten von Wolle, die
man nach der durchschnittlichen Länge in kurzstapelige (2,5 — 4 cm) und
langstapelige (9 15 em) sondert. Diese wird gekämmt und dient zur
Erzeugung der Kammgarne, jene wird durch Krempeln zum Spinnen
verarbeitet und zu Streichgarnwaren verwendet.
3. Die Ziegen- und Kamelwolle schließt sich in ihrem inneren Bau
der Schafwolle eng an. Man verwendet am häufigsten das seidenglänzende
d der in Kleinasien heimischen Angoraziege, die weiche Unterwolle der
aschmirziege in Tibet und das Haar von Kamelziegen, welche die Gebirge
von Peru und Chile bewohnen, aber auch Kamel- und Kuhhaare.
In England wurde zuerst im Jahre 1845 der Versuch gemacht, aus
Wolllumpen spinnbare Wollfasern herzustellen. Die Erzeugung und Ver—
wendung dieser Kunstwolle, die man im Handel unter dem Namen Shoddy
kennt, hat eine große Ausdehnung gewonnen. Fast in allen Staaten
Europas gibt es gegenwärtig Kunstwollfabriken, und es ist natürlich, daß
alle billigeren Schafwollstoffe Kunstwolle enthalten. Manche billige Tuche
enthalten davon bis 70 0 und mehr. Das wichtigste Mittel zum Nachweis
von Kunstwolle in einem Gewebe ist das Mikroskop.
(Nach Dr. Georg v. Georgievies. Aus dem Lesebuch von Mitzka u. Peetz.)