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wobei allerdings der Handel mit Mexiko und Kuba den Ausschlag giebt. Es
kann aber dem deutschen Kaufmanne nicht oft genug zugerufen werden, im Wett—
kampf mit den Amerikanern alle Energie, Äusdauer und Tüchtigkeit zu be—
wahren und das Geschäft mit Amerika mit allem Fleiße und aller zu Gebote
stehenden Tatkraft weiter zu verfolgen. Die hier und da ausgesprochenen
dunklen Befürchtungen bezüglich unserer amerikanischen Geschäftsverbindungen
sind bisher nicht eingetroffen. Vielmehr wird der Anteil der Vereinigten
Staaten an der Gesamteinfuhr nach Deutschland immer geringer, während
sich die deutsche Ausfuhr nach den Vereinigten Staaten in ihrem Anteil zur
Gesamtausfuhr wenigstens auf gleicher Höhe hält.
Mit Rußland ist der deutsche Handel gleichfalls sehr erschwert. Man
setzt große Hoffnung auf die nunmehr auch im Zarenreiche geplante Errichtung
von Handelskammern. Ohne Zweifel würde durch ihre Wirksamkeit der
Handel auch mit Deutschland wesentliche Erleichterungen erfahren. Die
schweren Opfer, die Rußland infolge des letzten großen Krieges zu bringen
hatte, sowie die Wirren und Volksaufstände riefen für Rußland und für die
russische Geschäftswelt mannigfache finanzielle Schwierigkeiten hervor und
ließen die Ansicht aufkommen, daß der Bankerott des großen russischen Reiches
in sicherer Aussicht stehe. Wenn das Budget Rußlands für 1905 ein Defizit
von 481 Millionen Rubel aufwies, das nur durch eine auswärtige Anleihe
gedeckt werden konnte, so erscheint die wirtschaftliche Lage Rußlands in sehr
trübem Lichte. In bezug auf die politische Lage Rußlands steht aber kaum
zu erwarten, daß die Volksvertretung (Duma) etwa durch einen Staatsstreich
wieder beseitigt werden wird. Sicherlich wird auch in Rußland eine bessere
Ordnung kommen und mit ihr eine freiere Entfaltung der wirtschaftlichen
Kräfte. Rußland, als der große Markt deutscher Erzeugnisse, auf dem die
Natur selbst uns einen bevorzugten Platz geschaffen hat, wird nicht nur seine
alte Bedeutung für den deutschen Export behalten, sondern auch noch neue
große Aussichten eröffnen, die, unbeirrt durch politische Sympathien, nach Kräften
auszunützen die kaufmännische Klugheit gebietet.
Zwischen Deutschland und Frankreich bestand bis jetzt nach Artikel 11
des Frankfurter Friedensvertrages das Meistbegünstigungsverhältnis. Darnach
sollten alle Vorteile, welche der eine der beiden Staaten einem andern in de
Vertragsklausel genannten Lande (England, Belgien, Niederlande, Schweiz,
Osterreich und Rußland) einräumt, auch dem anderen Vertragsstaate ohne
weiteres zustehen. Dem gegenüber aber brachte die Berliner Morgenpost vom
15. Juli 1906 einen sehr beachtenswerten Artikel, der u. a. folgendes aus⸗
führte:
„Bisher hat sich die Handels- und Industriewelt nur wenig um die
handelspolitischen Beziehungen zwischen Deutschland und Frankreich gekümmert,
da man annahm, daß eine Störung derselben nur durch politische Wirren
erfolgen könnte. Darin hat man sich aber sehr getäuscht, denn Frankreich
beginnt jetzt auf Mittel zu sinnen, die Einfuhr deutscher Erzeugnisse nach
Möglichkeit einzuschränken. Die französischen Zollbehörden verlangen bei ver—
schiedenen deutschen Waren statt der bisherigen Bezeichnung imports den Auf⸗
druck importé d'Allemagne. Zunächst nahm man an, daß dieses Verlangen
einen nachteiligen Einfluß auf den Export deutscher Artikel nach Frankreich
ebensowenig wie das Made in Germany für England haben würde. Die
Franzosen denken aber anders als die Engländer. Sie kaufen Waren nicht