Full text: (Für Septima) (Abteilung 2, [Schülerband])

RÜckert. Böhnke. 
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Freundlich blickte das Kind seinen König an und sagte: „Ins Himmel¬ 
reich." Da glänzte eine Thräne in des Königs Auge, und er hob das 
Mägdlein auf und küßte es. 
162. Abschied dez 
1. „Leb' wohl, mein Weib, und weine 
nicht, 
Mach' mir das Herz nicht schwer! 
Der König ruft, es ruft die Pflicht, 
Fort muß ich zu dem Heer. 
2. Schon droht der Feind an unsrer 
Mark, 
Wer bliebe da zurück? 
Leb' wohl, mein Bube, werde stark, 
Werd' deiner Eltern Glück! 
3. Gott schütz' euch vor des Krieges 
Graus 
Mit seiner Gnadenhand, 
Er schirme unser Königshaus 
Und unser Vaterland! 
4. Er kämpft mit uns für unser Recht, 
Er haßt den falschen Schein; 
Drum, treues Weib, derKampf ist echt, 
Drum laß das Klagen sein! 
Landwehrmanns. 
5. Sieh nur, wie unser Junge starrt 
Nach meinem blanken Helm! 
Ha, der scheint mir von rechter Art. 
Gott schütz' dich, kleiner Schelm! — 
6. Denkt meiner in dem Nacht¬ 
gebet, 
Auch ich bet' in der Fern', 
Und sollt' ich, — nun, das Leben steht 
Ja in der Hand des Herrn. 
7. So, wenn die Sonne schon ent¬ 
wich, 
Der Tag zur Rüste geht, 
Begegnen unsre Seelen sich 
Nach aufwärts im Gebet. 
8. Ade, ade zum letztenmal, 
Es wird das Herz mir weich, — 
Wie blendet doch der Sonnenstrahl — 
Ade — und Gott mit euch!" 
Hermann Böhnke. 
163. Das Scherflein der Witwe. 
1870. 
1. „Verschmäht nicht die kleine Gabe, 
Ihr ehrenwerten Herrn! 
's ist alles, was ich habe — 
Gott weiß, ich geb' es gern. 
2. Die treue Hauspostille, 
Mit silbernen Ecken geschmückt, 
Verkauft' ich in der Stille; 
Sie hat mich lang beglückt. 
3. Doch denk' ich, mein heißes Flehen 
Aus tiefstem Herzensgrund, 
Der droben wird's ja verstehen 
Auch ohne fremden Mund." 
4. So sprach, gestützt auf Krücken, 
Ein altes Mütterlein 
Und kam mit gebeugtem Rücken, 
Dem Krieg ihr Opfer zu weihn. 
5. „Geht, gute Frau! Für heute 
Behaltet nur Euer Geld! 
Es giebt ja reichere Leute, 
Gutherzige mehr in der Welt." 
6. „Ihr Herren," bittet die Alte, 
„O, ehrt die heiligste Pflicht! 
Denn bis das Herz erkalte, 
Stirbt Muttersorge nicht. 
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