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Rauschen und Brausen begleitet die tiefgefurchten Bewegungen
des Meeres, bis endlich die Wut des Windes sich gebrochen hat und
nach und nach die alte Ruhe auf der weiten Wasserfläche zurückkehrt.
Bei gutem Wetter laufen wir aus dem Hafen, um das feste
Land zu verlassen und uns dem unsicheren und beweglichen
Elemente anzuvertrauen. Die Anker sind gelichtet, die Segel blähen
sich auf und führen das Schiff durch des Windes Kraft rasch von
dannen. Wir steuern dahin, wo das Auge kein Ende der un¬
ermeßlichen Wasserfläche finden kann. Immer schneller wird der
Lauf des Schiffes, immer weiter entfernt es uns von dem festen,
schützenden Lande. Kaum vermag das Auge noch die Häuser und
Türme der Stadt zu erkennen, aus deren Hafen uns das Schiff
herausgetragen hat. Immer unbedeutender erscheinen uns die
Höhen, die das Ufer begrenzen. Immer niedriger erscheint uns das
ganze Ufer, bald nur noch wie ein dunUer Streifen am fernen
Horizonte. Wir wissen kaum mehr zu unterscheiden, ob die fernen
eben noch erkennbaren Massen Land, oder ob es entfernte Wolken
sind, die am Himmel aufsteigen oder hinabsinken wollen. Nur mit
der größten Anstrengung des Auges glauben wir noch wie durch
Nebel hin einen dünnen Streifen Landes unterscheiden zu können.
Endlich ist alles hinter uns verschwunden. Wie erst vor uns ein un¬
begrenztes Meer sich ausbreitete, so liegt es jetzt auch hinter uns.
Da wenden wir den Blick wieder vorwärts. Jetzt ist alles
Land verschwunden, so wird doch vor uns, wohin das Schiff uns
trägt, nun bald ein anderes Ufer, ein anderes Festland aus dem
Meere sich erheben? Eitle Hoffnung! Nichts als Wasser; soweit
das Auge reicht, nichts als Wasser! Wir schauen nach allen Seiten,
nach allen Himmelsgegenden, und immer wieder sehen wir nichts
als Wasser. Es liegt um uns wie eine mächtige Kreisscheibe,
die in ihrem fernen Umfange mit dem Himmel verbunden ist.
Himmel und Wasser und das Schiff, das uns trägt, das ist alles,
was dem Auge sich darstellt. Ein noch nie empfundenes Gefühl,
Furcht und Angst, überfällt uns, die wir bis jetzt noch niemals den
Anblick des Festlandes entbehrt haben. Am Morgen haben wir das
Ufer verlassen, jetzt will schon der Tag sich neigen, aber noch läßt
nirgends ein fester Punkt sich wieder entdecken. Dann und wann
begegnen uns große und kleine Schiffe; mitunter taucht ein
Seehund oder ein Braunfisch vor unserem Fahrzeuge auf, und
Seemöwen schaukeln sich wohlig auf der Flut, — das ist die ganze
Abwechslung, die uns geboten wird. So sinkt der Abend auf unser
einsames Schiff herab. Die Sterne ziehen am Himmel herauf und
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