Full text: Deutsches Lesebuch für städtische und gewerbliche Fortbildungsschulen

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gestorben war, folgte ihm der Prinzregent als König Wilhelm J. Ihm 
erschien die Umgestaltung des preußischen Heerwesens als eine un— 
abweisliche Notwendigkeit. Die Erfahrungen, welche er von frühester 
Jugend an gemacht, wiesen ihn immer wieder darauf hin, daß er nur 
durch Stärkung und Vermehrung des Heeres und durch Förderung seiner 
Schlagfertigkeit das hohe Ziel der Einigung Deutschlands erreichen könne. 
Denn in der Einigung Deutschlands unter Preußens Führung 
erkannte er die ihm durch die gesamte geschichtliche Entwickelung gestellte 
Aufgabe. Nach zwei Seiten mußte er aber bei Ausführung seines Planes 
auf seiner Hut und gerüstet sein: Osterreich hatte bis dahin jeden natio— 
nalen Aufschwung gehindert, es mußte in diesem verderblichen Streben 
ebrochen, das nach Kriegsruhm begierige Frankreich aber vor etwaigen 
ie en gegen Deutschland zurückgeschreckt und im Falle eines Krieges ge— 
demütigt werden. Des Königs Gehilfe in der Durchführung der Umgestal⸗ 
tung des Heeres war der Kriegsminister von Roon und sein treuer Mil— 
streiter bei Durchführung von Preußens deutscher Aufgabe der Minister⸗ 
präsident Otto von Bismarck. Vortrefflich bewährte sich die Vermehrung 
des Heeres sowie auch die Bewaffnung desselben mit dem Zündnadelgewehre 
in dem dänischen Kriege 1864, und als 1866 die entscheidende Stunde 
zur endgültigen Auseinandersetzung mit Osterreich gekommen war, schlugen 
Preußens Heere den Einigungskrieg wie zu Anfang des Jahrhunderls den 
Befreiungskrieg. Als König Wilhelm am 20. September 1866 an der 
Spitze seiner siegreichen Truppen in die Hauptstadt einzog, da hatte Preußen 
zum letzten Male um seine Existenz gekämpft, da war, dank der genialen 
Staatskunst Bismarcks und dank den Taten des preußischen Heeres, Oster— 
reichs Herrschaft über Deutschland gebrochen. Schleswig-Holstein, Han— 
nover, Kurhessen, Nassau, Frankfurt a. M. wurden mit Preußen vereinigt, 
und dadurch die lang ersehnte Verbindung zwischen der östlichen und west⸗ 
lichen Hälfte der preußischen Monarchie hergestellt. Es entstand der Nord⸗ 
deutsche Bund unter preußischer Führung, mit dem sich die süddeutschen 
Staaten zu Schutz und Trutz durch enges Bündnis vereinigten. 
Die Einigung Deutschlands erschien aber dem Kaiser der Franzosen 
Napoleon III, welcher bis dahin den Schiedsrichter in Europa gespielt 
hatte, bedrohlich. Angetrieben von den über Preußens Erfolge erbitterten 
Franzosen, führte er 1870 durch eine persönliche Beleidigung König Wil— 
helms den Bruch mit Deutschland herbei. Da erhob sich unter den Klängen 
der Wacht am Rhein ganz Deutschland wider den alten Erbfeind, und was 
Ludwig XIV. und Napoleon J. an Deutschland gesündigt hatten, es wurde 
gesühnt durch Frankreichs Niederlagen von Weißenburg bis Sedan und 
Paris. Aus einem glorreichen Feldzuge ohnegleichen brachten unsere sieg— 
reichen Heere die alten Reichslande Elsaß und Lothringen und Kaiser und 
Reich zurück: am 18. Januar 1871 wurde in Versailles König 
Wilhelm auf Antrag des Königs Ludwig von Bahern von den deutschen 
Fürsten zum deutschen Kaiser ausgerufen. Dem deutschen Volke, 
das endlich seinen alten, sehnsuchtsvollen Traum erfüllt sah, wurde diese 
frohe Botschaft durch folgende Proklamation kundgetan:
	        
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