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Fürst Bismarck bei dem Tode Kaiser Wilhelms J.
der letzten Jahrzehnte getragen, sondern lediglich das Bedürfnis,
den weiten Gebieten von den Alpen bis zum Meere die Grund-
bedingung des staatlichen Gedeihens z2u gewähren, welehe ihnen
der Entwiekelungsgang früherer Jahrhunderte verkümmert hat.
Nur zur Abwehr, nieht zum Angriff einigen sich die deutschen
Stämme, und dab ihre Verbrüderung auch von ihren Nachbar-
völkern in diesem Sinne aufgefabt wird, beweist die wohlwollende
Haltung der mächtigsten europäischen Staaten, welohe ohne Be-—
sorgnis und ohne Mibgunst Deutschland von denselben Vorteilen
eines groben staatlichen Gemeinwesens Besitz ergreifen sehen,
deren sie sich ihrerseits seit Jahrhunderten erfreuen. Nur von
uns, von unsrer Einigkeit, von unsrer Vaterlandsliobe hängt es
daher in diesem Augenblicke ab, dem gesamten Deutschland die
Bũrgschaften einer Zukunft zu sichern, in welcher es, frei von der
Gefahr, wieder in Zerrissenheit und Ohnmacht zu verfallen, nach
eigener Selbstbestimmung seine verfassungsmäbige Entwicklung
und seine Wohlfahrt pflegen und in dem Rate der Völker seinen
friedliobenden Beruf zu erfüllen vermag.
Iceh hege das Vertrauen zu Gott, dab die Nachwelt im Rück-
blick auf unsere gemeinsamen Arbeiten nicht sagen werde, die
Erfahrungen der frũhberen, miblungenen Versuche seien ohne Nutzen
für das deutsche Volk geblieben, daß vielmehr unsere Kinder mit
Dank auf diesen Reichstag als den Begründer der deutschen Pin-
heit, Freiheit und Macht zurückblicken werden.
Meine Herren! Ganz Deutschland, auch über die Grenzen
unseres Bundes hinaus, harrt der Entscheidungen, die hier getroffen
werden sollen.
Mõöge duroh unser gemeinsames Werk der Praum von Jahr-
hunderten, das Sehnen und Ringen der jüngsten Geschlechter der
Erfüllung entgegengeführt werden ....
Der Segen Gottes aber, an welohem alles gelegen ist, begleite
und fördere das vaterländische Werk!
181. Fürst Bismarck bei dem Tode Kaiser Wilhelms J.
Stockend, oft nach dem Ausdruck ringend, oft Minuten lang die
Rührung und den Schmerz bekämpfend, richtete er folgende Worte
an die erschüttert lauschenden Mitglieder des Reichstages:
„Mir legt die trauͤrige Pflicht ob, Ihnen die Mitteilung von
dem zu machen, was Sie ja tatsächlich bereits wissen werden, daß
Se. Majestät Kaiser Wilhelm heute vormittag /29 Uhr zu seinen
Vätern entschlafen ist. Infolge dieses Ereignisses ist die preußische
Krone und damit nach Artikel 11 der Reichsverfassung die deutsche
Kaiserwürde auf Seine Majestät Friedrich III.. König von Preußen,
übergegangen. Nach den mir zugegangenen telegraphischen Nach—