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Maschinen anerkennt, weil alle Maschinen nur eine Verbindung dieser ein—
fachen Maschinen darstellen, so nenne man uns ein Werkzeug, welches nicht
ebenfalls aus einfachen Maschinen bestände. Namentlich der Hebel und
die schiefe Ebene sind bei den Werkzeugen stark verwendet. Von Seite der
Zusammensetzung also findet sich keine Scheidung; von dieser Seite be—
trachtet ist jede Maschine ein Werkzeug und jedes Werkzeug eine Maschine.
Sehen wir zu, ob wir auf einem andern Weg eine Grenzlinie zwischen
Werkzeug und Maschine finden können. Fassen wir den Menschen in seiner
körperlichen Erscheinung ins Auge. Sein Körper enthält Teile, welche er
bewegen kann, um einen Zweck zu verfolgen. Wir nennen diese Teile
Gliedmaßen, und sie bestehen wieder aus Gliedern. In der weiteren Be—
trachtung, wie diese Gliedmaßen konstruiert sind, wie sich die Glieder ver—
binden, auf welche Weise sie sich bewegen, drängt sich der Schluß auf, daß
der menschliche Körper die vollkommenste Maschine sei.
Allein der Mensch ist auch ein denkendes Wesen; er verbindet, ver—
gleicht; er strebt, mehr und mehr zu schaffen, zu wirken. Indem er diesem
natürlichen Triebe nachging, lernte er gar bald einsehen, daß seine Glied—
maßen, trotz der wundervollen Bauart, doch nicht zu allen Verrichtungen
geschickt sind.
In die weiche Erde ein Loch zu drücken, um ein Samenkorn zu
betten, das vermochte sein Finger. Allein bald drängte es ihn, durch
Leder, Holz, in Stein und Eisen Löcher zu drücken, und das gelang seinem
Finger nicht. Was that er? Er nahm seine Zuflucht zu Holz, Eisen,
Stahl ꝛc. und formte Finger daraus, die seinem Zwecke dienten, und diese
Finger leisteten in seiner Hand, was die Natur seinen eigenen Fingern
versagt hatte. Es entstanden Werkzeuge, wie z. B. die Nadel, der Pfriemen,
die Ahle, der Bohrer ꝛc. Wenn die Finger einen Gegenstand wegen seiner
übermäßigen Größe oder außerordentlichen Kleinheit nicht umfassen konnten,
so gab es keinen andern Ausweg, als künstliche zweckentsprechende Finger
zu formen, welche in der Hand des Menschen zu einem dienlichen Werk—
zeuge wurden; es entstanden so die mannigfaltigen Werkzeuge zum Fest—
halten, wie Zangen, Schraubstöcke, Hobelbank ꝛc. Wo der Faustschlag
nicht hinreichte, griff der Mensch zu einer hölzernen oder eisernen Faust
mit einem starken Arme und schwang nun in seiner Hand ein neues Werk—
zeug, den Hammer. Um die Erde aufzugraben, zu durchwühlen, fand er
seine Nägel zu schwach, darum formte er Nägel aus Eisen und Stahl, und
die verschiedenen Grabwerkzeuge entstanden. Was ist die Schaufel anders,
als eine geschickt gemachte flache Hand, die der Mensch der seinigen unterstellt?
Der Mensch war also genötigt, eine Menge künstlicher Gliedmaßen
zu erfinden, welche die Unzulänglichkeit seiner eigenen zu ersetzen hatten.
Was anders als die menschliche Hand konnte diese künstlichen Gliedmaßen
und Glieder gebrauchen, handhaben? Da haben wir nun den Begriff
Werkzeug und auch zugleich den Nutzen des Werkzeugs.
Was der Mensch mit seinen Händen wirkt, das ist sein „Hand—
werk“, und alle Hilfsmittel, welche er ersonnen hat, um das Werk seiner
Hände immer vollkommener und mannigfaltiger zu machen, sind „Werk—
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Lesebuch für städt. Fortbildungsschulen