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Geschãft sein wird, und dass man ihm also keine wiehtigen An-
gelegenheiten anvertrauen darf. Als der Sekretär Washingtons,
des ersten Präsidenten der nordamerikanischen Freistaaten, sich
bei ihm wegen Zuspätkommens mit der Ungenauigkeit seiner
Uhr entschuldigte, sagte ihm sein Herr ganz ruhbig: „Dann
müssen Sie sich entweder eine andere Uhr, oder ich muls mir
einen anderen Sekretär anschaffen.“
Wer nachlässig mit der Zeit und der Benutzung derselben
ist, wird gewöhnlich die Gemütsruhe anderer beständig stören.
Wie viele giebt es nicht, die alle Morgen eine Stunde verlieren
und sie den ganzen DTag suchen! Ein jeder, mit dem dèr Unpünkt-
liche zu thun hat, wird von Zeit zu Zeit in einen fieberhaften
Zustand versetzt; der Unpünktliche kommt ja beständig zu spàt,
ist regelmässig nur in der Unregelmässigkeit. Er Kommt zu
spãt in seinen Verabredungen; er erreicht den Bahnhof, nachdem
der Zug fort ist; er trägt seinen Brief auf dié Possst, wenn sie
geschlossen ist. Auf diese Weise gerät jedes seiner Geschäfte
in Verwirrung, und jeder von den Beteiligten wird verstimmt.
Im allgemeinen haben Leute, die nie die rechte Zeit einhalten,
aueh nie rechten Erfolg. Die Melt lässt sie beiseite liegen,
und sie helfen die Zahl der Unzufriedenen und derer vermehren,
die auf ihr Schicksal schmähen. Samuel Smiles.
15. Heute.
Ich stehe an einem Bache und schaue in die Wellen, wie sie
zittern und wie sie rennen, schnell fortzukommen; und ich schaue mit
den Gedanken noch weiter, als die Augen reichen, dem Wasser nach.
Wo gehst du hin, kleine Welle, und wo kommst du her? Du
bist am Schwarzwald droben geronnen aus moosiger Quelle und
bist ungesehen wild abgestürzt vom Felsgestein; und wie in Schweiß
gekommen, schäumt und schnauft es noch eine Zeit lang im engen
Thal und fließt dann besänftigt und süß durch schöne, weite Ebenen.
Jetzt glänzt das Wasserflöckchen im Sonnenschein, und nachher ver—
sinkt es im Schatten von Weidengebüsch, und sechs Stunden später
leuchtet es, wie ein mildes Flämmchen, rötlich und goldig im Abend—
rot. Die Sonne sinkt, aber die Welle wallt fort, bald stahlgrau
und dunkel, bald weißblau im Mondschein oder geht unter in
schwarzer Nacht.
So geht es immer vorwärts, und zuletzt stürzt das wilde Wasser—
tröpflein in einen Fluß oder Strom und wird hinuntergeschwemmt
ins weite Meer. Aber so groß und unergründlich das Meer auch
ist, die kleine Welle geht darin nicht verloren; und es giebt ein
Auge, das jedem Tropfen im Meere nachkommt, woraus jene Welle
zusammengesetzt war.
Man kann oft in Büchern lesen, die Zeit sei wie ein Fluß, und