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nehmen. Wollten sich die Besitzenden das nicht gefallen lassen, müßten sie
zum Knüttel oder Schwert greifen.
Und zu dem äußeren Unfrieden käme der innere hinzu. Der Mensch
hat nicht bloß einen Magen, sondern auch ein Herz. Der Sozialist sorgt
aͤllerdings für beide. Der Magen soll sein reichliches Futter, das Herz seine
lauten, weltlichen Freuden haben. Daß es aber Freuden höherer Art giebt,
Freuden, die mit einem seligen, stillen Frieden verbunden sind, das will der
Sozialist nicht wissen. Darum braucht er keinen Gott, keine Kirche, keine
Ewigkeit. Und doch gleichen die weltlichen Freuden nur den Träbern, wo—
mit der verlorene Sohn im Evangelium sich den Magen füllte und verdarb.
Sie füllen das Herz und verderben es. Verstehe mich nicht falsch, Fritz, als
wollte ich gar keine weltlichen Freuden. Ist aber das Herz voll Unfrieden,
da ist der äußere Streit auch nicht fern.
Summa: ein Volksstaat ini Sinne der Sozialisten und Kommunisten
ist ein Luftschloß. Er wird ewig widerhallen von Krieg und Kriegsgeschrei,
Und Säbel und Kartätschen werden das Regiment führen.
Fritz, Du magst vielleicht sagen: „Ja, Du legst in Deinem Kopfe Dir
die Sache nur so zurecht, in der Wirklichkeit mag sie sich ja vielleicht anders
machen.“
Nun, so will ich Dir ein Stück aus der Wirklichkeit erzählen. Im
vorigen Jahrhundert hatte in Frankreich eine Reihe schandbarer Könige
schaudbar regiert. Hab und Gut der Ünterthanen war durch sie auf die
schmählichste Weise verpraßt worden, bis das Volk selbst liederlich geworden
und an Herz und Vermögen durch und durch verarmt war. Da, im Jahre
1789, brach der Aufruhr los. Der König Ludwig XVI. war besser als
seine Vorgänger, ein guter, wohlwollender, aber schwacher Mann. Er,
bdie Königin und sein kleiner Sohn wurden gefangen genommen, Vater und
Mutter offentlich geköpft, das Kind zu einem Schuster in die Lehre gethan.
Das arme Wesen wurde so unmenschlich gequält, bis es wahnsinnig wurde
und elendiglich umkam. Frankreich wurde nun ein richtiger Volksstaat. Drei
bodenlos rohe Männer, Robespierre, Danton und Marat, führten in der
obersten Behörde das Regiment. Und nun begann das, was die Sozialisten
noch heute wollen: Rang, Stand und Reichtum wurden aus der Welt ge—
schafft Das „Expropiieren“ nahm seinen Anfang. Außer der königlichen
Familie wurden viele Edelleute, Geistliche und Reiche hingemordet. Mit
Knütleln und Schwertern wurden die ersten Opfer auf offeñner Straße er⸗
schlagen. Das zog nicht, und man erfand eine Köpfmaschine, das Fallbeil.
Tag und Nacht arbeitete das mörderische Werkzeug, so daß die Henker buch—
stäblich bis über die Knöchel im Blute wateten. Von Paris aus marschierte
eine Herde Soldaten von Dorf zu Dorf, von Stadt zu Stadt. Auf einem
Wagen führten sie die Köpfmaschine mit sich. Die Reichen, die Geistlichen,
die Anhänger des Königs wurden auf dem Markte zusammengetrieben und
mit Weib und Kind geköpft. Eine ganze Provinz wurde buchstäblich
derwüstet und die reiche und herrliche Stadt Lyon dem Erdboden gleich
gemacht. Unser Herrgott wurde öffenllich abgesetzt und die Kirchen wurden
zu Tanzsälen umgewandelt. Ein Weibsbild wurde auf den Altar gesetz!
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