Full text: Lehr- und Lesebuch für städtische und gewerbliche Fortbildungsschulen

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meine Studien übrig. Meine Fortschritte in denselben standen auch 
ganz mit der Klarheit der Ideen und der leichten Auffassung im 
Verhältnis, welche das Ergebnis der Mäßigkeit im Essen und 
Trinken sind.“ 
Von seiner Reise nach Philadelphia, wo er als Gehilfe bei 
einem Buchdrucker, Namens Keimer, eine Anstellung fand, erzählt 
Franklin folgenden höchst charakteristischen Zug: „Eine Windstille 
nötigte uns, oberhalb Block Island anzulegen, und die Schiffsmann— 
schaft benutzte den Verzug zum Stockfischfang. Ich war bisher 
meinem Entschlusse treu geblieben, nichts zu essen, was vorher Leben 
besessen hatte und hielt demgemäß das Fangen eines Fisches für eine 
Art Mord, der ohne alle Ursache begangen würde, da das arme 
Tier keinem Menschen Schaden zufügte, noch das geringste Unrecht 
zu thun im stande sei. Diese Gründe schienen mir unwiderleglich. 
Nun war ich aber früher ein außerordentlicher Freund von Fischen 
gewesen, und wenn mir einer der Stockfische aus der Bratpfanne 
mit herrlichem Wohlgeruch entgegen dampfte, so kam meine Neigung 
mit meinen Grundsätzen nicht wenig ins Gedränge. Demungeachtet 
zögerte ich eine Zeit lang, bis ich endlich einen der Stockfische öffnen 
sah und bemerkte, daß er einen kleinen Fisch im Bauche hatte. Dann 
sagte ich zu mir selbst: wenn du einen andern essen kannst, so sehe 
ich keinen Grund, warum man dich nicht auch essen soll! Demgemäß 
aß ich denn von dem Stockfische mit größtem Wohlbehagen, und von 
der Zeit an fuhr ich fort, gleich anderen Menschen zu essen, indem 
ich nur von Zeit zu Zeit zu meiner Pflanzenkost zurückkehrte.“ 
Von Philadelphia schiffte Franklin nach England hinüber und 
fand bald in den Druckereien von London willkommene Arbeit. Um 
sich die gehörige Körperbewegung zu verschaffen, arbeitete er zuerst 
als Drucker, obwohl er ein höchst geschickter Setzer war und als 
solcher auch mehr verdiente. Doch bei seiner großen Sparsamkeit 
erübrigte er viel mehr als seine Mitgesellen, die ihn „das ameri— 
kanische Wassertier“ nannten, weil er gegen das unmäßige Bier— 
trinken eiferte. Er trug zuweilen in jeder Hand eine große gesetzte 
Form Treppe auf und Treppe ab und sprach dann zu den Bier— 
trinkern, die ihm das nicht nachthun konnten: „Da habt ihr den Be— 
weis, daß Bier keineswegs die Kräfte vermehrt. Wenn ich einen 
Pennylaib Brot esse und dazu ein Glas Wasser trinke, habe ich so 
viel Nahrungsstoff gewonnen, als in einer Pinte Bier enthalten ist.“ 
So suchte er überall mit gutem Beispiel auf seine Mitmenschen zu 
wirken. 
Franklin hatte ein halbes Jahr in London verweilt und kehrte 
im Jahr 1726 nach Philadelphia zurück. Unterwegs machte er die 
Bekanntschaft eines Kaufmanns Denham, der ihn sehr lieb gewann 
und zu seinem Buchhalter erwählte. Plötzlich ereilte aber diesen 
seinen Wohltäter der Tod, und so sah sich der junge Franklin wieder 
auf die eigenen Mittel verwiesen. In Philadelphia nahm ihn sein
	        
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