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5. Vorbilder in Seben und Streben.
1. Männer eigner Kraft.
„Gott hilft denen, die sich selber helfen!“
Dieser Satz, der in allen Sprachen zu finden ist, enthält eine un—
erschütterliche, weil auf tausendjährige Erfahrung gegründete Wahrheit,
welche noch immer tagtäglich aufs neue bekräftigt wird. Der Satz bezieht
sich natürlich nicht auf das eigenmächtige Vorgreifen in der Rechtspflege,
sondern will nichts anderes besagen, als daß redlichem Bemühen ein ent—
sprechender Erfolg früͤher ober fpaler ficher ist Insofern also die Seldsi
hilfe darauf beruht, daß der Mensch sich ausschließlich auf seine eigene
Kraft stützt, um nicht bloß das Notwendige, sondern auch das Wünschens—
werte zu erstreben und zu erreichen, ist sie die Quelle alles wahren Ge—
deihens der Einzelnen und somit auch der Völker.
„Fremde Hilfe verfehlt zumeist ihren Zweck; nur in den seltensten
Fällen wirkt sie nachhaltig, ja noch mehr; dadurch, daß sie eigene An—
strengung überflüssig macht, lähmt und erstickt sie im Menschen nur allzu
leicht die Willens- und Tatkraft, wie jeden Trieb zur Selbsttätigkeit und
gibt ihn damit erst recht der Hilflosigkeit preis.
In den Lebens- und Charakterbildern hervorragender Persönlichkeiten
finden sich oft genug wertvolle Beispiele für die Wunderkraft, die in der
unermüdlichen Arbeit, im beharrlichen Streben, in der Reinheit und Bieder—
keit des Charakters und im festen, unerschütterlichen Willen liegt. — Bei—
spiele, die deutlicher als Worte zeigen, was der Mensch aus eigener Kraft
zu erzielen imstande ist, und in beredtester Weise lehren, wie Selbstachtung
und Selbstvertrauen sogar den Geringsten befähigen, sich sein redliches Aus—
kommen und einen geachteten Namen zu erringen, — kurz, Beispiele für
die Macht der Selbsthilfe. Die Geschichte des Lebens solcher Menschen
wirkt belehrend und erhebend, ermutigend und anfeuernd; sie kann als
Leitstern auf dem oft so dunklen Pfade des Lebens dienen.
Die Größen in der Wissenschaft, in der Literatur und in der Kunst,
die Verkündiger erhabener Gedanken und die Apostel der Menschenliebe
sind keineswegs aus einer bestimmten Klasse oder einem bestimmten Stande
hervorgegangen: öfter noch hat ihre Wiege in einer elenden Hütte, als in
einem Palaste gestanden. Zahlreich sind die Fälle, in denen Menschen
mittels ihres entsagungsvollen Fleißes, ihrer Tatkraft und Gesinnungs—
tüchtigkeit aus tiefer Armut zu Glanz und Reichtum wie zu den höchsien
und einflußreichsten Stellungen emporgestiegen sind und damit zugleich den
größten Ehrennamen: den von Wohltätern der Menschheit sich verdient
haben, und scheinbar unüberwindliche Schwierigkeiten und Hindernisse haben
sie auf ihrem Wege nicht aufzuhalten vermocht; vielmehr haben oft genug
gerade diese Schwierigkeiten und Hindernisse sie am meisten und am besten
vorwärts gebracht, insofern sie ihre ganze Kraft und Ausdauer heraus—
forderten, ihren Charakter stählten und Fähigkeiten erst in ihnen weckten,
die sonst vielleicht fortgeschlummert hätten.