Full text: Größeres Lesebuch für Fortbildungsschulen in Stadt und Land

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Vorwärts, vorwärts, weiter, weiter, 
über Trümmer, ewig tot! 
Weh', o Bürgerfahne, heiter 
in das frische Morgenrot. 
Dr. Rehlen. 
124. Verlorene Dinge. 
1. 
„Wie viel Nähnadeln werden wohl tagtäglich fabriziert?“ 
— 3 Die Zahl derselben übersteigt ganz unzweifelhaft viele Mil— 
ionen! — 
„Wo bleiben all' die Nadeln?“ 
— Abgenutzt wird höchst selten eine; die Nadeln gehen mitten 
in ihrer vollen Dienstfähigkeit verloren! — 
„Wie viel Nadeln mögen aber wohl tagtäglich verloren gehen?“ 
— Mangel an Nadeln ist gewiß noch niemand gewahr worden, 
und für den Überfluß würden sich auch die Nadelmacher hüten, sie zu 
fabrizieren. — Hieraus aber folgt mit strengster Konsequenz, daß so viel 
tagtäglich verloren gehen müssen, wie tagtäglich neue gemacht werden! — 
„Wenn aber wirklich tagtäglich viele Millionen Nadeln verloren 
gehen, warum findet man sie nicht, wohin man nur greist? — Sollte 
man nicht meinen, wenn dies jahraus jahrein so fortgeht, so müßte 
man gdlich bis über die Knöchel in lauter verlorenen Nadeln herum— 
waten?“ 
Die richtige Antwort auf diese Frage ist folgende: — Es gehen 
tagtäglich so viele Millionen andere Dinge in der Welt verloren, daß 
all die verlorenen Nadeln sich wiederum verlieren in den Millionen ver— 
lorener Dinge! — 
Alle Menschen in der Welt schaffen oder machen oder fabrizieren 
oder fördern tagtäglich, jahraus, jahrein, immerfort lauter neue Dinge; 
keiner von ihnen ist so thöricht, etwas zu produzieren, das niemand 
braucht. — Die neuen Dinge werden also nur deshalb täglich produ— 
weil täglich eben so viel alte Dinge verbraucht werden; die ver— 
rauchten Dinge aber gehen so zu sagen: verloren. Was Wunder, wenn 
es schwer hält, unter solcher Masse der verlorenen Dinge eine verlorene 
Nadel herauszufinden! — 
Zwar gehen die verschiedenen Dinge unter sehr verschiedener Firma 
verloren. Tassen und Töpfe und usn Teller, Flaschen und Gläser 
„gehen entzwei;“ natürlich ohne Verschulden aller Köchinnen. — In 
Fensterscheiben „kommt ein Sprung;“ Eimer „fallen auseinander;“ 
Messer und Gabeln „kommen weg;“ in das Kleid „fällt ein Loch hinein;“ 
in Schürzen „ist ein Riß gekommen;“ Knöpfe „fallen ab;,“ Bänder „ver— 
schwinden;“ Federmesser „sind nicht da;“ — kurz: der Titel fürs „Ver— 
lorengehen“ sehr verschieden, bescheiden und versteckt, je nach dem 
Charaͤkter der verlorenen Dinge. Thatsächlich jedoch hat Mephistopheles 
schon ganz recht, wenn er meint, daß alles, was entsteht, wert ist, daß 
es untergeht; aber „herzlich schlecht“ ist darum die Welt doch nicht, im
	        
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