Full text: Größeres Lesebuch für Fortbildungsschulen in Stadt und Land

325 
7. Die Teilung der Erde. 
„Nehmt hin die Welt!“ rief Zeus von seinen Höhen 
den Menschen zu; „nehmt, sie soll euer sein 
Euch schenk' ich sie zum Erb' und ew'gen Lehen; 
doch teilt euch brüderlich darein.“ 
Da eilt, was Hände hat, sich einzurichten; 
es regte sieh geschäftig jung und alt. 
Der Ackermann griff nach des Feldes Erüchten; 
der Junker birschte dureb den Wald. 
Der Kaufmann nimmt, was seine Speicher fassen; 
der Abt wahlt sich den edlen FPirnewein; 
der König sperrt die Brucken und die Strassen 
und sprach: „Der Zehente ist mein.“ 
Ganz spät, nachdem die LTeilung langst geschehen, 
naht der bPoet, er kam aus weiter Pern; 
ach, da war uüberall nichts mehr zu sehen, 
und alles hatte seinen Herrn! 
„Webh mir! sSo soll denn ich allein von allen 
vergessen sein, ich, dein getreuster Sohn?“ 
8o liess er laut der Klage Ruf erschallen 
und warf sich hin vor Jovis Thron. 
„Wenn du im Land der Träume dich verweilet,“ 
versetzt der Gott, „so hadre nicht mit mir. 
Wo warst du denn, als man die Welt geteilet?“ — 
„Ieh war,“ sprach der Poet, „bei dir. 
Mein Auge hing an deinem Angesichte, 
an deines Himmels Harmonie mein Ohr; 
rerzeib dem Geiste. der, von deinem Lichte 
berauseht, das Irdische verlorl 
„Mas thun?“ spricht Zeus; „die Welt ist weggegeben, 
der Herbst, die Jagd, der Markt ist nicht mehr mein; 
willst du in meinem Himmel mit mir leben, 
so oft du kommst, er soll dir offen sein.“ 
8Schiller. 
8. Das Lied von der Glocke. 
Fest gemauert in der Erden 
steht die Form aus Lehm gebrannt. 
Heute muß die Glocke werden! 
Frisch, Gesellen, seid zur Hand! 
Von der Stirne heiß 
rinnen muß der Schweiß, 
soll das Werk den Meister loben; 
doch der Segen lommt von oben. 
Zum Werke, das wir ernst bereiten, 
geziemt sich wohl ein ernstes Wort; 
wenn gute Reden sie begleiten, 
dann fließt die Arbeit munter fort. 
So laßt uns jetzt mit Fleiß betrachten, 
was durch die schwache Kraft entspringt; 
den schlechten Mann muß man verachten, 
der nie bedacht, was er vollbringt 
Das ist's ja, was den Menschen zieret, 
und dazu ward ihm der Verstand, 
daß er im innern Herzen spüret, 
was er erschafft mit seiner Hand. 
Nehmet Holz vom Fichtenstamme; 
doch recht trocken laßt es sein, 
daß die eingepreßte Flamme 
schlage zu dem Schwalch hinein! 
Koͤcht des Kupfers Brei! 
schnell das Zinn herbei 
daß die zähe Glockenspeise 
fließe nach der rechten Weise.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.