Full text: Haus und Vaterland II (Band 5)

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daran rührt. Und die da drinnen im Bäckerladen haben daran 
gerührt mit ihrem Hohnlachen. 
Er zittert mehr als sonst. Es ist aber auch bitter kalt heute. 
Endlich hat er sich auch noch die Flasche füllen lassen; dann 
wandert er zur Stadt hinaus, dem Walde zu. Den Lebkuchen- 
reiter haben sie ihm in eine alte Zeitung gehüllt; so trägt er ihn 
in die kalte Winternacht hinein. Aber es ist ihm, als gehe eine 
Wãrme von demselben aus, die ihm wohbl tut. Die Sterne glitzern 
und funkeln in goldener Herrlichkeit, und oft schaut er hinauf zu 
ihnen. Nicht eigentlich, dab er sich über sie freut, aber er fühlt 
sich nicht so allein, wenn er sie anschaut. 
Endlich ist der Wald erreicht, und er sucht nach einem passen- 
den Tannenbäumchen. Er betritt die Hege. Da sind sie so klein 
und niedlich, ja, gerade wie zu Mutters Zeiten. Es ist ihm wie 
ein schöner Traum, daß er da im Walde ist und Christbäumchen 
hat, so viele er nur will. Er spürt nicht mehr, dab er zittert vor 
Kälte; er träumt mit wachen Augen. Und wie im Traum steoellt 
er den Lebkuchenreiter unter das Bàumchen und heftet den Gold— 
stern an die Spitzge desselben. Er schneidet den Wachsstock in 
kleine Kerzen und befestigt sie an den ästchen. Dann holt er 
sein Feuerzeug aus der Tasche und steckt die Kerzen an. Und 
die Lichter oben am Himmel und die Lichter an seinem Bäumchen, 
sie flammen zusammen und wecken in ihm, was schlief, was bei- 
nahe zwanzig Jahre in ihm geschlafen hatte. 
Ja, vor zwanzig Jahren, wenn er daran dachtel Und noch 
weiter zurückl Er war doch auch einmal einer Mutter lieber Sohn 
gewesen. Man kann ihm das wirklich jetzt nicht mehr ansehen, 
aber wahr ist es doch. Vom Vater weib er nicht viel, der ist 
früh gestorben; aber seine Mutter! Ach, so was gibt's ja gar nicht 
mehr; was das für eine Frau war, und wie sie ihn liebte; wie 
sie arbeitete und schaffte, dab er etwas Rechtes lernen solltel Und 
er lernte auch, zuerst auf der Schule, er war sogar der Erste ge- 
wesen, und dann in dem grohen Bankgeschäft. Reich wollte er 
werden und der Mutter alles vergelten, was sie an ihm getan hatte. 
Dann wollte er ihr ein seidenes Kleid kaufen und einen Lehnstuhl 
mit rotem Samtpolster.
	        
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