88 — — —2
daran rührt. Und die da drinnen im Bäckerladen haben daran
gerührt mit ihrem Hohnlachen.
Er zittert mehr als sonst. Es ist aber auch bitter kalt heute.
Endlich hat er sich auch noch die Flasche füllen lassen; dann
wandert er zur Stadt hinaus, dem Walde zu. Den Lebkuchen-
reiter haben sie ihm in eine alte Zeitung gehüllt; so trägt er ihn
in die kalte Winternacht hinein. Aber es ist ihm, als gehe eine
Wãrme von demselben aus, die ihm wohbl tut. Die Sterne glitzern
und funkeln in goldener Herrlichkeit, und oft schaut er hinauf zu
ihnen. Nicht eigentlich, dab er sich über sie freut, aber er fühlt
sich nicht so allein, wenn er sie anschaut.
Endlich ist der Wald erreicht, und er sucht nach einem passen-
den Tannenbäumchen. Er betritt die Hege. Da sind sie so klein
und niedlich, ja, gerade wie zu Mutters Zeiten. Es ist ihm wie
ein schöner Traum, daß er da im Walde ist und Christbäumchen
hat, so viele er nur will. Er spürt nicht mehr, dab er zittert vor
Kälte; er träumt mit wachen Augen. Und wie im Traum steoellt
er den Lebkuchenreiter unter das Bàumchen und heftet den Gold—
stern an die Spitzge desselben. Er schneidet den Wachsstock in
kleine Kerzen und befestigt sie an den ästchen. Dann holt er
sein Feuerzeug aus der Tasche und steckt die Kerzen an. Und
die Lichter oben am Himmel und die Lichter an seinem Bäumchen,
sie flammen zusammen und wecken in ihm, was schlief, was bei-
nahe zwanzig Jahre in ihm geschlafen hatte.
Ja, vor zwanzig Jahren, wenn er daran dachtel Und noch
weiter zurückl Er war doch auch einmal einer Mutter lieber Sohn
gewesen. Man kann ihm das wirklich jetzt nicht mehr ansehen,
aber wahr ist es doch. Vom Vater weib er nicht viel, der ist
früh gestorben; aber seine Mutter! Ach, so was gibt's ja gar nicht
mehr; was das für eine Frau war, und wie sie ihn liebte; wie
sie arbeitete und schaffte, dab er etwas Rechtes lernen solltel Und
er lernte auch, zuerst auf der Schule, er war sogar der Erste ge-
wesen, und dann in dem grohen Bankgeschäft. Reich wollte er
werden und der Mutter alles vergelten, was sie an ihm getan hatte.
Dann wollte er ihr ein seidenes Kleid kaufen und einen Lehnstuhl
mit rotem Samtpolster.