Kletke. Hoffmann. Reinick.
151
197. Das arme Vöglein.
1. Ein Vogel ruft im Walde,
Ich weiß es wohl, wonach;
Er will ein Lusthaus haben,
Von Laub ein grünes Dach.
2. Er rufet alle Tage
Und flattert hin und her,
Und in dem ganzen Walde
Hört keiner sein Begehr.
3. Und endlich hört's der Frühling,
Der Freund der ganzen Welt;
Der giebt dem armen Vöglein
Ein schattig Laubgezelt.
4. Wer singt im hohen Baume
So stoh vom grünen Ast?
Das thut das arme Vöglein
Aus seinem Laubpalast.
5. Es singet Dank dem Frühling
Für das, was er beschied,
Und singt, so lang' er weilet,
Ihm jeden Tag ein Lied.
Heinrich August Hoffmann von Fallersleben.
198.
1. Der Sommer rief: Ade!
Das that dem Stieglitz weh.
Er hing das Köpflein nieder,
Vergaß all seine Lieder.
Wie oft ich ihn auch rief,
Es schien, als ob er schlief'.
2. Jetzt war der Winter da.
Wie ging's dem Stieglitz nah'!
Er zog sein buntes Kleid aus
Und sah voll Gram und Leid aus;
Er saß so still und stumm
Und sah sich nicht 'mal um.
Der Stieglitz.
3. Und endlich schmolz der Schnee,
Der Stieglitz rief: Juchhe!
Die Sonne schien aufs Bauer,
Da war hinweg die Trauer.
Der Stieglitz sprang und sang,
Daß es gar lieblich klang.
4. Er sprang voll Freud' und Lust
Und sang aus voller Brust:
„Jetzt kommt die schöne Zeit an;
Ich zieh' mein buntes Kleid an.
Willkommen, Sonnenschein!
Jetzt will ich lustig sein".
5. Herr Stieglitz, kannst du sein
Schon froh beim Sonnenschein:
So will ich tanzen, springen,
So will ich fröhlich singen!
Nicht nur der Sonnenschein,
Der ganze Lenz ist mein.
Heinrich August Hoffmann von Fallersleben.
199. Im Frühling.
Vor kurzem, da war die Erde noch weiß,
Und nun wird's überall grün.
Vor kurzem, da stand der Bach noch voll Eis;
Wie lustig die Wellen nun ziehn!
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