Full text: (Für Septima) (Abteilung 2, [Schülerband])

222. Das Vaterunser. 
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die ganze Welt als meines Vaters Haus vor; und alle Menschen in Europa, 
Asia, Afrika und Amerika sind dann in meinen Gedanken meine Brüder und 
Schwestern; und Gott sitzt im Himmel auf einem goldnen Stuhl und hat 
seine rechte Hand übers Meer und bis ans Ende der Welt ausgestreckt, und 
seine Linke voll Heil und Gutes, und die Bergspitzen umher rauchen, — 
und dann fang' ich an: 
Vater Unser, der du bist im Himmel, 
geheiliget werde dein Name! 
Das versteh' ich nun schon nicht. Die Juden sollen besondere Heimlich¬ 
keiten von dem Namen Gottes gewußt haben. Das lasse ich aber gut sein 
und wünsche nur, daß das Andenken an Gott und eine jede Spur, daraus 
wir ihn erkennen können, mir und allen Menschen über alles groß und 
heilig sein möge. 
Zu uns komme dein Reich! 
Hierbei denk' ich an mich selbst, wie's in mir hin und her treibt, und 
bald dies, bald das regieret, und daß das alles Herzquälen ist, und ich dabei 
auf keinen grünen Zweig komme. Und dann denk' ich, wie gut es für mich 
wäre, wenn doch Gott „all Fehd' ein Ende" machen und mich selbst regie¬ 
ren wollte. 
Dein Wille geschehe, wie im Himmel also auch auf Erden! 
Hierbei stell' ich mir den Himmel mit den heiligen Engeln vor, die mit 
Freuden seinen Willen thun, und keine Qual rührt sie an, und sie wissen sich 
vor Liebe und Seligkeit nicht zu retten und frohlocken Tag und Nacht, und dann 
denk' ich: „Wenn es doch also auch auf Erden wäre!" 
Unser täglich Brot gieb uns heute! 
Ein jeder weiß, was täglich Brot heißt, und daß man essen muß, so lange 
man in der Welt ist, und daß es auch gut schmeckt. Daran denk' ich denn. 
Auch fallen mir wohl meine Kinder ein, wie die so gerne effen mögen und so 
stugs und fröhlich bei der Schüssel sind. Und dann bet' ich, daß der liebe Gott 
uns doch etwas wolle zu essen geben. 
Und vergieb uns unsere Schuld, als wir vergeben unsern 
Schnldigern! 
Es thut weh, wenn nian beleidigt wird, und die Rache ist dem Menschen 
süß. Das kömmt mir auch so vor, und ich hätte wohl Lust dazu. Da tritt mir 
aber der Schalksknecht aus dem Evangelio unter die Augen, und mir entfällt das 
Herz, und ich nehm's mir vor, daß ich meinem Mitknecht vergeben und ihm 
kein Wort von den hundert Groschen sagen will. 
Und führe uns nicht in Versuchung! 
Hier denk' ich an allerhand Exempel, wo Leute unter den und jenen 
Umständen vom Guten abgewichen und gefallen sind, und daß es mir nicht 
besser gehen würde. 
Sondern erlöse uns von dem Übel! 
Mir sind hier die Versuchungen noch im Sinn, und daß der Mensch so 
leicht verführt werden und von der ebnen Bahn abkommen kann. Zugleich denk' 
ich aber auch an alle Mühe des Lebens , an Schwindsucht und Alter, an kalten Brand 
und Wahnsinn und das tausendfältige Elend und Herzeleid, das in der Welt ist 
und die armen Menschen martert und quält, und ist niemand, der helfen kann.
	        
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