Full text: (Für Septima) (Abteilung 2, [Schülerband])

Äermes und der Lolzhauer. Das Christbäumchen. Rübezahl. 145 
159. Rübezahl. 
Von Lermann Kletke. 
1. Rübezahl im Riesengebirge. 
Ein junger, vorwitziger Gesell, der aus der Wanderschaft nach 
Böhmen unterwegs von Rübezahl hatte erzählen hören, wollte, als er 
in die Nähe der Schneekoppe kam, ihn selbst zu Gesicht bekommen. 
Deshalb forderte er ihn mit ungeschliffenen Worten heraus und rief: 
„Rübezahl, Bärenhäuter, Hexenmeister, wo steckst du? Laß mich von 
deiner Kunst etwas sehen, wenn du eine verstehst!" Was geschah aber? 
Eh' sich's der tölpische Bursch versah, stand Rübezahl dicht vor ihm 
mit einer langen Gerte in der Äand, sah ihn grimmig an und sprach: 
„Ei, du ungehobelter Gesell, wer hat dich so schimpfen gelehrt? Gehst 
du deshalb in der Welt umher, daß du solch grobes Wesen lernst?" 
Der arme Bursch, über die Maßen erschrocken, bat inständigst um Ver¬ 
zeihung, wollte alles nur aus Scherz gesagt haben und nie wieder 
schimpfen. Rübezahl aber, den die unhöflichen Worte zu sehr erzürnt 
hatten, nahm durchaus keine Entschuldigung an, sondern entgegnete: 
„Nein, mein guter Gesell, ich muß dir einen Denkzettel geben, damit 
du lernst, ein andermal deine groben und vorschnellen Worte besser im 
Zaume gu halten." Damit nahm er die Gerte und strich den Burschen, 
wie es der seit Kindesjahren nimmer erfahren hatte. Als Rübezahl 
mit der Arbeit fertig war, mußte jener ihm angeloben, höflicher zu 
werden, auch die Rute, die ihn gezüchtigt hatte, zum Andenken mit¬ 
nehmen. Als jedoch der gebesserte Gesell nach dem ersten Nachtlager 
in Prag sein Geschenk einmal wieder ansah, da entdeckte er, daß sich 
die Rute in einen Golddraht verwandelt hatte. 
2. Der freigebige Rübezahl. 
Eine arme, alte Frau, welche nach Kräutern und Wurzeln suchte, 
verirrte sich dabei im Walde. Da begegnete ihr der Berggeist in Ge¬ 
stalt eines Jägers; den bat die Frau, er möge ihr doch den rechten 
Weg sagen, damit sie rasch nach Äause komme und die Wurzeln zu 
Gelde mache; denn sie habe noch kleine Kinder daheim, die schon etliche 
Tage kein Brot gegessen. Der Jäger entgegnete: „Die Wurzeln sind 
dir zu schwer, wirf sie weg; ich will dir ein Laub weisen, das nimm 
und trag es in die Stadt, es wird dir mehr bringen als die schweren 
Wurzeln!" Aber die Frau wollte nicht, sondern behielt ihre Wurzeln. 
Da sprach der Jäger wiederum, indem er auf einen Strauch wies, von 
diesem solle sie Laub mitnehmen, das werde ihr nützlicher sein als die 
Lesebuch für Vorschulen höherer Lehranstalten. Septtma. 10
	        
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