Culturzustände.
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Kriegsgeschichte überlassend, können aber nicht umhin, zu erwähnen,
dass, wie nützlich auch die Erfindung in mancher Weise gewesen ist,
sie doch zur Erhöhung der Fürstenmacht wesentlich beigetragen habe
und dass Europa, welches durch sie das Principal über die übrigen
Wclttheilc erlangt, selbst in die unseligste Sklaverei verfallen wäre,
wenn nicht das gütige Geschick neben dieser Erfindung eine zweite
der Menschheit hätte zu Gute kommen lassen, welche sofort mit der
ersten in den Kampf trat und noch jetzt unverändert fortkämpft. Es
ist dies die Buchdruckerkunst und die durch die Presse geleitete und ver¬
kündigte öffentliche Meinung. Oft zwar ist durch die rohe Gewalt der
Feldschlangen und der Bajonnette die Presse zum Schweigen gebracht
worden, aber nie völlig besiegt und verstummen gemacht, erhob sie sich
immer und immer wieder zu neuem Kampfe trotz Censuren, trotz Bücher¬
verboten, Postdebitsentzichungen und anderen Maaßregeln fürstlicher
oder hierarchischer Willkür. Das Ende solchen Kampfes ist leicht abzu¬
sehen, denn noch immer hat die rohe Gewalt im Kampfe gegen den
Geist, noch stets hat die Tyrannei gegen die Freiheit unterliegen müssen.
8. 3. Volksleben. Seit den Kreuzzügcn beginnen Aufklä¬
rung und Humanität erst einigen und dann immer mehr Boden zu
gewinnen, und damit zusammenhängend fängt auch das Volk im Allge¬
meinen eine etwas erträglichere Stellung in der menschlichen Gesellschaft
zu erringen an. Gar viele Leibeigene hatten bei dem Abzüge ihrer Herren
in den heiligen Kampf vollkommene Freilassung, oder doch bedeutende
Milderungen der Knechtschaft erhalten; andere, welche mitzogen, er¬
langten eben dadurch schon größere Menschenrechte als Theilnehmer an
dem Kampfe für die Sache Gottes; wieder andere erlangten als Edel¬
knechte sogar, obgleich hörigen Standes, Besitzthum und gewisse Ehren¬
rechte; der grelle Unterschied zwischen den verschiedenen Volksklassen
verwischte sich immer mehr durch Vermischung, selbst mit den Freien;
das Beispiel der Städte und die Uebersiedelung vieler Unfreier in die¬
selben gewann die letzteren für die immer mehr Terrain gewinnende Idee
der Freiheit; endlich ward selbst der aufkommende Kriegsdienst im Solde
der Fürsten eine Gelegenheit zur Erlangung größerer Freiheit. Durch
die Summe dieser und anderer Ursachen sahen sich die Lcibherren ge¬
zwungen, ihren Hörigen Erleichterungen zuzugcstehen, und so bahnte
sich allmählich der Weg an, auf welchem endlich die Leibeigenschaft ver¬
schwinden musste.
Die Gesetze blieben in diesem Zeiträume dieselben, wie im vorigen,
nur dass das römische Recht immer weitere Ausdehnung und Anwen¬
dung, namentlich seit durch Bartolo de Saroferrato die Dialektik
in die Rechtslehre eingesührt worden war, gewann. Mehrere Samm¬
lungen von Provinzial- und Stadtrechten damaliger Zeit, z. B. das
bairische Rechtsbuch (1329), das Wiener Stadtrecht (1435), das dith-
marsftche Recht rc. sind zwar an sich merkwürdig, haben aber weder