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m. König und Vaterland.
Ankunft gefreut und sitzt nun zu Lause und weint!" Eilig lief ein
Bote und holte das Mädchen. Noch standen ihm die Tränen in den
Augen, als es kam, und ängstlich schaute es zu denen auf, die es fort¬
geschickt hatten. Die Königin aber bückte sich zu ihm nieder, umschlang
es mit beiden Armen und sprach mit milden Worten: „Weine nicht
mehr, mein liebes Kind! Siehe, ich habe dich ebenso lieb wie die
andern hier, sei nur immer brav und gut, allen guten Kindern gehört ja
Gottes Himmelreich!" Dabei drückte sie einen herzlichen Kuß auf die
Wange des Mädchens. Alle Amstehenden waren gerührt, in vielen
Augen standen Tränen, und noch lange sprach man von der Güte der
edlen Königin Luise.
67. König Friedrich Wilhelm IV. und das
alte Mütterchen.
Von Rulemann Friedrich Eylert.
Einst wollte der König aus der großen Lauptstadt Berlin nach
seiner Residenzstadt Potsdam fahren. Die Beamten auf der Eisen¬
bahn wußten, daß der König kommen werde, und er war auch pünktlich
zur Zeit der Abfahrt da. Nun wurde das Zeichen mit der Glocke
gegeben7 daß die Reisenden einsteigen möchten. Der König stieg aber
nicht ein, auch dann noch nicht, als man das letztemal geläutet hatte,
worüber die Beamten nicht wenig verlegen wurden. Als nun der erste
Beamte den königlichen Lerrn erinnern sollte, daß es hohe Zeit zum
Abfahren sei, sah man eine alte Frau mit einem Korbe eiligst heran¬
kommen. Ihretwegen hatte der König mit dem Einsteigen gezögert.
Als sie ankam, ging der König zu ihr, klopfte ihr vertraulich aus die
Schulter und sagte: „Ja, Mütterchen, da wären Sie eben nicht mit
fortgekommen, wenn ich nicht auf Sie gewartet hätte."
68. Aus der Knabenzeit Kaiser Wilhelms I.
Von Wilhelm Petsch.
Am 22. März 1797 herrschte in dem Schlosse zu Berlin, das dem
Zeughause gegenüber liegt, große Freude. Dem Kronprinzen Friedrich
Wilhelm und seiner Gemahlin Luise war an diesem Tage hier ein
zweiter Sohn geboren worden. Die Taufe des kleinen Prinzen fand
in dem elterlichen Laufe am 3. April statt, wo das Taufbecken unter
dem Thronhimmel stand. Der Losprediger Sack vollzog die heilige
Landlung, bei der König Friedrich Wilhelm II. den Enkel auf seinen