Full text: [Teil 3 = Klasse 7, [Schülerband]] (Teil 3 = Klasse 7, [Schülerband])

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11. Alchenputtel. Vvon den Brũdern Grimm. 
Kinder- und Hausmärchen. Originalausgabe. 32. Aufl., besorgt von Reinhold 
Steig. Stutigart und Berlin 1906. 8. 78. 
iß 
nem reichen Manne, dem wurde seine Frau krank, und 
als sie fühlte, daß ihr Ende herankam, rief sie ihr einziges 
Töchterlein zu fich ans Bett und sprach: ‚Liebes Kind, 
bleib fromm und gut, so wird dir der liebe Gott immer 
beistehen, und ich will vom Himmel auf dich herab— 
blicken und will um dich sein.“ Darauf tat sie die 
Augen zu und verschied. Das Mädchen ging jeden 
Tag hinaus zu dem Grabe der Mutter und weinte und blieb fromm 
und gut. Als der Winter kam, deckte der Schnee ein weißes Tüchlein 
auf das Grab, und als die Sonne im Frühjahr es wieder herabgezogen 
hatte, nahm sich der Mann eine andere Frau. 
Die Frau hatte zwei Töchter mit ins Haus gebracht, die schön und 
weiß von Angesicht waren, aber garstig und schwarz von Herzen. Da 
ging eine schlimme Zeit für das arme Stiefkind an. „Soll die dumme 
Gans bei uns in der Stube sitzen?“ sprachen sie; „wer Brot essen will, 
muß es verdienen; hinaus mit der Küchenmagd!“ Sie nahmen ihm 
seine schönen Kleider weg, zogen ihm einen grauen alten Kittel an und 
gaben ihm hölzerne Schuhe. „Seht einmal die stolze Prinzessin, wie sie 
geputzt ist!“ riefen sie, lachten und führten es in die Küche. Da mußte 
8 von Morgen bis Abend schwere Arbeit tun, früh vor Tag aufstehen, 
Wasser tragen, Feuer anmachen, kochen und waschen. Obendrein taten ihm 
die Schwestern alles ersinnliche Herzeleid an, verspotteten es und schütteten 
ihm die Erbsen und Linsen in die Asche, so daß es sitzen und sie wieder 
auslesen mußte. Abends, wenn es sich müde gearbeitet hatte, kam es in 
kein Bett, sondern mußte sich neben den Herd in die Asche legen. Und weil 
es darum immer staubig und schmutzig aussah, nannten sie es Aschenputtel. 
Es trug sich zu, daß der Vater einmal in die Messe ziehen wollte, 
da fragte er die beiden Stiestöchter, was er ihnen mitbringen sollte. 
„Schöne Kleider“ sagte die eine, „Perlen und Edelsteine“ die zweite. 
„Aber du, Aschenputtel,“ sprach er, „was willst du haben?“ — „Vater, 
bas erste Reis, das Euch auf Eurem Heimweg an den Hut stößt, das 
brecht für mich ab!“ Er kaufte nun für die beiden Stiefschwestern schöne 
Kleider, Perlen und Edelsteine, und auf dem Rückweg, als er durch einen 
grünen Busch ritt, streifte ihn ein Hafelreis und stieß ihm den Hut ab. 
Da brach er das Reis ab und nahm es mit. Als er nach Hause kam, 
gab er den Stieftöchtern, was sie sich gewünscht hatten, und dem Aschen⸗ 
puttel gab er das Reis von dem Haselbusch. Aschenputtel dankte ihm, 
ging zu seiner Mutter Grab und pflanzte das Reis darauf und weinte
	        
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