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Gulden, auf denen der Hirsch, das Wappentier Württembergs, ge—
prägt war.
Fluchend und scheltend ritten endlich die getäuschten Brüder zum
Burgtor hinaus. Als sie den Berg hinab schweigend und innerlich
grollend nebeneinander herritten, begann endlich der von Zollern:
„Bruder, was wollen wir tun? Wollen wir den Hirschgulden verspielen
oder vertrinken?“
„Vertrinken ist besser,“ sagte der Schalksburger; „dann haben wir
wenigstens beide etwas davon.“ Und so ritten sie denn nach der Stadt
Balingen hinunter, kehrten beim Wirt zum Goldenen Lamm ein und
verlangten, daß er ihnen für einen Gulden Wein bringe.
Der Wirt tat nach der Ritter Geheiß, und da die Sonne während
des Rittes den Rittern heiß auf die Rüstung gebrannt hatte, so war
das Erbe bald vertrunken.
Als aber die Ritter bezahlen wollten und verächtlich den ererbten
Hirschgulden auf den Tisch warfen, da sprach der Wirt, höflich sich
vor den Gästen verneigend: „Nehmt's nicht für ungut, gnädige Herren,
wenn ich dieses Geldstück nicht anzunehmen vermag. Heut morgen erst
hat der Stadtdiener im Städtlein unter Trommelschall ausgerufen, daß
Seine Gnaden der Herr Graf von Württemberg die Hirschgulden ab—
geschafft hat, und daß sie von heut an nicht mehr gelten.“
So mußten die Ritter einen andern Gulden aus der Tasche
suchen. Was sie aber auf dem Heimwege miteinander geredet haben,
und was endlich aus dem ererbten Hirschgulden geworden ist, darüber
haben die Geschichtschreiber keine Nachricht hinterlassen.
32. Der Binger Mãuseturm. von den Brũdern Grimm.
Deutsche Sagen. 4. Auflage, besorgt von Reinhold Steig. Berlin 1906. 8. 181.
u Bingen ragt mitten aus dem Rhein ein hoher Turm, von dem
3 nachstehende Sage umgeht. Im Jahr 974 war große Teuerung
ꝰ in Deutschland, daß die Menschen aus Not Katzen und Hunde aßen
und doch viel Leute Hungers starben. Da war ein Bischof zu Mainz,
der hieß Hatto der andre. Er war ein Geizhals und dachte nur daran,
seinen Schatz zu mehren, und er sah zu, wie die armen Leute auf der
Gasse niederfielen und bei Haufen zu den Brotbänken liefen und das
Brot nahmen mit Gewalt. Aber kein Erbarmen kam in den Bischof,
sondern er sprach: „Lasset alle Armen und Dürftigen sammeln in einer
Scheune vor der Stadt, ich will sie speisen.“ Und wie sie in die Scheune
gegangen waren, schloß er die Tür zu, steckte die Scheune mit Feuer
an und verbrannte sie samt den armen Leuten, jung und alt, Mann und
Weib. Als nun die Menschen unter den Flammen wimmerten und jam—
merten, rief Hatto: „Hört, hört, wie die Mäuse pfeifen!“