Die hellenistischen Reiche bis zum Eingreifen der Römer
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fassenden philosophischen Systems zu begreifen. Die Begründer
dieser beiden Hauptrichtungen waren Zenon und Epikuros : beide
lebten und lehrten in Athen, das bis etwa 250 noch immer der geistige
Mittelpunkt der Welt blieb, beiden erschien als das höchste Ziel die
Glückseligkeit. Aber während den Stoikern die Glückseligkeit nur im
Besitz der Tugend möglich erschien, neben der alle anderen Güter
dieser Welt dem Weisen entbehrlich sind, begründete Epikuros sie
auf den Genuß, den er selber allerdings in der Selbstgenügsamkeit
und dem Frieden der Seele suchte. Allein indem seine Jünger bald
an die Stelle des geistigen den Sinnengenuß setzten, sank die hohe
und reine Lehre des Meisters zu einer Philosophie für Lebemänner
herab. Dem gegenüber entwickelte die Lehre der Stoa die sittliche
Kraft und Strenge ihrer Schüler, denen die Güter dieser Welt ver¬
ächtlich und selbst das Leiden gleichgültig erschien im Vergleich
zu der Seligkeit, die mit dem Besitz der Tugend verbunden war:
in mancher Hinsicht nähern sie sich der christlichen Auffassung.
Daneben gab es noch den Skeptizismus Pyrrhons, der die Mög¬
lichkeit einer Erkenntnis und damit die Grundlagen der Sittlichkeit
überhaupt bestritt. Die Zugehörigkeit zu einer dieser drei Schulen
pflegte dem Gebildeten von damals die Religion zu ersetzen. Um
so stärker blieb die Macht der Religion über die Massen, obwohl sie
gerade damals durch Aufnahme immer neuer orientalischer Gott¬
heiten, der Kybele aus Kleinasien, der babylonischen Anahit, des
babylonisch-ägyptischen Sarapis, des persischen Mithras eine inner¬
liche Umbildung erfuhr und mehr und mehr in Formelkram erstarrte.
§ 113. Die Literatur. Betrachtet man die geistige Bewegung
auf dem Gebiet der Dichtkunst, so ist zweifellos, daß nach dem un¬
geheuren Aufschwung des 5. Jahrhunderts hier ein Stillstand einge¬
treten ist: dennoch hat der absterbende Baum der hellenischen
Poesie noch zwei neue Schüssen getrieben, die neue Komödie und
das Idyll. Die Geburtsstätte der neueren Komödie ist Athen, das
auch auf diesem Gebiet noch bis zur Mitte des 3. Jahrhunderts seine
führende Stellung bewahrte; im Gegensatz zur alten verzichtete
sie durchaus auf politische Erörterungen und wandte sich der
Schilderung des gesellschaftlichen Lebens zu. Der größte unter
ihren Dichtern ist Men and ros. Das Idyll ist am Hofe der Ptole-
maeer in Alexandria entstanden; sein unerreichter Meister ist
Theokritos, der zuerst in Alexandrien, später am Hofe König
Hierons in Syrakus lebte. Im übrigen wandte man, je mehr
man fühlte, daß der Born der Dichtung am Versiegen war, sich
der Aufbewahrung all des Großen und Herrlichen zu, was die
Väter geschaffen hatten: eifrig sammelten die großen Bibliotheken,
allen voran Alexandria und in bescheidenerem Maße auch die Attali-
denresidenz Pergamon, alles was noch an Resten der großen Vorzeit
Skeptizis¬
mus
Die neue
Komödie
Das Idyll
Wissen¬
schaftliche
Bestre¬
bungen.
Bibliothe¬
ken