Die innere Entwicklung Noms.
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des ächtesten Römers gerühmt. Wer sollte nicht die dauerhafte Geistes- und
Körperkraft des Mannes bewundern, der über ein halbes Jahrhundert un¬
ermüdlich im Feld und im Rat, auf der Rednerbühne wie als Abgeordneter vor
fremden Völkern gewirkt, der in den bedeutendsten Ämtern die Geschicklichkeit
des Feldherrn und die Umsicht des Verwalters bewahrt und dennoch Zeit ge¬
habt hat sich um daS Kleinste der eignen Haushaltung zu kümmern? Der
mit der gleichen Tüchtigkeit, mit der er dem Volke und dem Senat seine Worte
entgegenschleuderte, seinen Sohn belehrte und die Geschichte des Vaterlandes
schrieb? Eisenfest war sein Charakter. Alle Bequemlichkeit verachteteerund
nie hat der Reichtum, außer der mit eigner Hand erworbne, auf ihn einen
Eindruck gemacht; aber eben so unversöhnlich war er in seinem Haß und eben
so starr in seinen politischen Ansichten^). Statt in dem Eindringen der frem¬
den Bildung eine notwendige Entwicklungsphase zn erkennen und ihr die rechte
Bahn und die rechten Schranken zu weisen, suchte er ihr die Thür zu schließen
(s. § 149, 5) und statt der Sache traf sein Eifer häufiger die Person. Man
kann ihn von blinder Parteileidenschaft nicht freisprechen bei dem was er 189
gegen M' Acilius Glabrio, als dieser um die Censur warb, that^);
mehr noch hat seinem Ruhm seine Feindschaft gegen die Scipionen geschadet.
Die Anklage auf Unterschleif, welche er 187 durch den Tribunen £X Petillius
gegen sie richten ließ, hat vor dem unparteiischen Urteil der Nachwelt durch
die Gemeinheit der Werkzeuge nur die persönliche Größe deS Africanus verher-
licht, auf das römische Volk aber den Vorwurf der Undankbarkeit gezogen.
P. Scipio lebte verbittert die letzten Tage seines Lebens auf seinem Landgute bei
Liternum und starb dort wahrscheinlich 1831 3). Catos Ankündigung, daß er
den neuen Verbrechen steuern und die alten Sitten Herstellen wolle 4), verschaffte
ihm, dem Unadligen, trotz des Widerstrebens der Nobilitat vom Volk 184 die
Censur und zwar mit dem von ihm gewünschten Cvllegen L. V al eriuS Flac-
c u s. Die Ausstoßung von sieben Senatoren, darunter des L. Quinctius Fla-
mininuS, die Abnahme des Ritterpferdes die er gegen L. Scipio Astaticus ans¬
sprach, erregte selbst bei dem Volke das Gefühl der Gehaßigkeit, und die strengen
Maßnahmen, die er in Bezug auf die Verwaltung traf, erschienen viel zu hart:
kurz die ganze Censur hatte doch nur steten Angriff gegen ihn zur Folge5).
Die Vergeblichkeit seines Kampfes 0) ist nicht ganz ohne seine Schuld; sein
Dringen auf Karthagos Zerstörung förderte geradezu die herben und unedeln
Seiten des römischen Wesens und es ist bezeichnend, daß er noch kurz vor sei¬
nem Tode (149) den jungen Scipio, dessen griechische Bildung er so grimmig
haßte, für den einzigen Mann im Heer anerkennen muste. Indes wie Kar¬
thagos Zerstörung, so bildet auch sein Scheiden von der politischen Schau¬
bühne eine Epoche: er ist der letzte, der das alte Römertum zn stützen suchte.
Litteratur und Kunst.
§ 149.
1. Mit der Verbreitung und Befestigung der römischen Herschaft über
ganz Italien ist auch der latinische Dialekt zur herschenden Sprache ge¬
1) S. die Charakteristik bei Liv. XXXIX 40 u. 41. Monuns. I 792 ff. —
2) Liv. XXXVII 57 u. 58. — 3) Liv. XXXVIII 50—60. Die Gründe, mit welchen
Liv. XXXIX 52 Polybios Nachricht über das Todesjahr bekämpft und ein früheres
ansetzt, erscheinen nicht ganz überzeugend. S. übrigens 8 144, 10. — 4) Liv. XXXIX
40: castigare nova flagitia et priscos reuovare mores. —• 5) Liv. XXXIX 43 u. 44:
nobilis censura fuit simultathnnquc pleiia, cpiae M, Porcium, eui acerbitas ea ad-
signabatur, per oranem vitam exercuerunt. — 61 nec facile dixeris, utrum magis
eum presserit, an ille agitaverit nobilitatem. S. Momms. I 794.
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