Full text: Unterstufe: Zweiter Kursus (Teil 2, [Schülerband])

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Schnee wegschaffen und das Eis, sie könnten es nicht. Und wären sie es 
imstande, könnten sie den Himmel wieder blau machen und den Sonnen¬ 
schein warm, daß sich Felder und Wiesen mit Grün und Blumen 
schmücken?" 
Der Knabe erwiderte: „Wird es denn also bleiben wie es jetzt ist; 
werde ich keine Blumen wieder sehen, keinen Vogel wieder hören?" 
„Du wirst's," sagte der Vater; „denn was Menschen nicht können 
mit all ihrer Macht, das kann der Eine." 
„Wer ist der Eine?" fragte der Knabe. Und der Vater hob an und 
erzählte beim Gehen von dem Allmächtigen, der droben wohnt, der den 
Himmel und die Erde gemacht, der Samen und Ernte macht, Frost und 
Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht. 
Der Knabe hörte aufmerksam zu und bewahrte die Worte in seinem 
Herzen. 
Nach mehreren Tagen schickten sich beide an, wieder nach dem Berge 
zu gehen. Da war aber schon vieles anders geworden. Beim Ersteigen 
des Berges floß ihnen von allen Seiten geschmolzener Schnee entgegen. 
Als sie oben angekommen waren, da erkannte Karl die Gegend kaum, so 
sehr hatte sich alles verändert. Der Reis von den Bäumen war ver¬ 
schwunden, der Schnee war an vielen Orten weg, und schwarzes Land und 
grüne Plätze schauten hervor. 
Da wunderte sich der Knabe und sprach: „Das hat der Allmächtige 
gethan!" 
Doch der Vater sprach: „Bald wirst du noch größere Wunder 
sehen!" 
Mehrere Wochen waren seitdem vergangen. Längst war alles Eis 
geschmolzen und der Schnee zerronnen; immer milder und wärmer ward 
es; hier und da kamen hervor junges Grün und zarte Sprößlein, und im 
Garten begannen Blumen zu blühen, duftend und schön. 
Der Vater ließ noch einige Wochen vergehen, da sprach er an einem 
schönen Frühlingstage zu Karl: „Komm hinaus ins Freie, daß wir den 
Frühling bewundern!" 
Wiesen und Fluren grünten, Bäume und Sträucher blüheten, Mücken 
schwärmten, Bienen summten, Lerchen sangen, Nachtigallen schlugen, alles 
lebte, alles freute sich. Und auf dem Berge — welche Aussicht! Im 
Thale war frohes Leben. Landleute waren auf dem Felde beschäftigt; auf 
den Wiesen weideten Rinder und an dem Abhange des Berges Schafe 
und muntere Lämmer. So weit das Auge reichte, bis zu den fernen, 
blauen Bergen war alles geschmückt mit jungem, frischem Grün, und 
darüber glänzte der blaue, reine Himmel und der warme Sonnenschein. 
Da ging dem Knaben das Herz auf, und voller Freude sprach er: 
„Vater, wie ist's doch so schön!" 
Der Vater aber sprach: „Siehe, wie viel Gott thun kann!"
	        
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