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II. Kulturbilder aus Welt und Werkstatt. 1
hat dabei schöne, mannigfaltige Grundfarben und niedliche, abwechselnde
Zeichnungen, welche zuweilen die barocksten Figuren zusammensetzen. Bald
streichen bunte, undurchsichtige Stellen neben den durchsichtigen wie Wellen
hin, bald glaubt man in den roten, braunen und grünen Zeichnungen
Bänder, Bäume, Gesträuche, Gebäude oder Flüßchen wahrzunehmen; kurz
es giebt keine Form, keine Abwechslung der Aderlinien, welche nicht am
Achat getroffen werden. Nach den durch die Laune der Natur geschaffenen
Bildern teilt die Industrie die Steine in verschiedene Klassen ein. Der
Brandachat zeigt gerade, krumme oder geschlängelte Linien; der Kreis -
achat hat auf seiner Oberfläche ringförmige, oft tief durch den Stein
gehende Zeichnungen; beim Festungsachat lagern sich,um den Quarzkern
zickzackförmig anders gefärbte Steinarten, so daß er Ähnlichkeit mit dem
Grundriß einer Festung hat; Landschaftsachat bildet die Bilder von
Hütten oder Gesträuchen; Wolkenachat eine Darstellung des bewölkten
Horizonts, und so ergeben die Bilder die Erklärung für die Bezeichnungen:
Moos-, Augen-, Korallenachate u. s. w.
Das Schleifen ist eine der mühevollsten Arbeiten, die man sich denken
kann. Die Schleifereien befinden sich nicht in den Städten, sondern mitten
im Gebirge an kleinen Gebirgsbächen. Sie sind von Holz erbaute Hütten
mit einem Wasserrade und so angelegt, daß der Bach einmal das Rad
treibt und dann, unter der Schleifmühle Hinducchfließend, den an der Rad¬
welle befindlichen Schleifstein immer naß erhält. Die Schleifsteine, von
der Gestalt und Größe der gewöhnlichen Mühlensteine, stehen zur Hälfte
unter dem Fußboden im inneren Raum der Schleiferei, sie ragen daher
senkrecht nur etwa 40 — 60 cm aus dem Boden hervor. Da nun der
Arbeiter den zu schleifenden Achat mit den Händen an den sich drehenden
Schleifstein halten, und das Auge, um genau sehen zu können, nahe dabei
haben muß, so würde er sehr gebückt zu stehen gezwungen sein, wenn
nicht, um dies zu vermeiden, eine eigentümliche Vorrichtung getroffen wäre.
Vor dem Stein ist nämlich ein muldenförmig ausgehöhlter Schemel an¬
gebracht; vor diesem kniet der Arbeiter nieder und dann legt er sich mit
der Brust in die Mulde, so daß sein Oberkörper sich in wagerechter
Stellung befindet. Natürlich ist auch dies im höchsten Grade anstrengend
und nachteilig für die Gesundheit, aber dennoch scheint es die zum Schleifen
bequemste und beste Stellung oder Lage zu sein, bei der fteilich die
Schleifer auch selten alte Leute werden, da sie Tag für Tag im Stein¬
staube auf der Brust liegend, ihre Beschäftigung treiben müssen.
In einer Schleifmühle befinden sich gewöhnlich zwei Schleifsteine,
zuweilen auch nur einer; dennoch betrug im Jahre 1866 die Zahl sämt¬
licher in Gebrauch stehender Schleifsteine 562, zu denen aus den an¬
grenzenden Gegenden Preußens noch 162 zu rechnen sind, um für die
ganze Achatindustrie des Nahethals die Gesamtsumme von 724 arbeitenden
Schleifsteinen zu finden. Der Absatz der fertigen Produkte wird fast aus¬
schließlich von Händlern aus Oberstein und Idar vermittelt.
Ehe die Steine in die Schleifmühle gelangen, ist ihr Äußeres wenig
versprechend, ja sogar im höchsten Grade unscheinbar. Die Schleifer be¬