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kommt! Wohlan, laß uns auch unsern Tageslauf wie sie mit fröhlichem
Antlitz beginnen!" Also redeten sie und wirkten, und Gott segnete ihre
Arbeit, daß sie genug hatten samt den Kindern. Denn der Glaube erhebt
das Herz, und die Liebe gewährt Stärke.
Friedrich Adolf Krummacher.
6. Kindliche Liebe.
Ein berühmter preußischer General war in seiner Jugend
Edelknabe an dem Hofe Friedrichs des Großen. Er hatte keinen
Vater mehr, und seine Mutter nährte sich in ihrem Witwenstande
sehr kümmerlich. Als guter Sohn wünschte er, sie zu unter¬
stützen; aber von seinem Gehalte ließ sich nichts entbehren.
Doch fand er endlich ein Mittel, etwas für sie zu erwerben. Jede
Nacht mußte einer von den Edelknaben in dem Zimmer vor dem
Schlafgemach des Königs wachen, um diesem aufzuwarten, wenn
er etwas verlangte. Manchen war dieses zu beschwerlich, und sie
übertrugen daher, wenn die Reihe sie traf, ihre Wachen gern an
andere. Der arme Edelknabe fing an, diese Wachen für andere
zu übernehmen; sie wurden ihm vergütet, und das Geld, welches
er dafür erhielk, schickte er dann seiner Mutter. Einst konnte
der König nachts nicht schlafen und wollte sich etwas vorlesen
lassen. Er klingelte, er rief, allein es kam niemand. Endlich
stand er selbst auf und ging in das Nebenzimmer, um zu sehen,
ob kein Page da wäre. Hier fand er den guten Jüngling, der
die Wache übernommen hatte, am Tische sitzen. Vor ihm lag
ein Brief an seine Mutter, den er zu schreiben angefangen; allein
er war über dem Schreiben eingeschlafen.
Der König schlich herbei und las den Anfang des Briefes,
welcher lautete: „Meine beste, geliebteste Mutter! Jetzt ist es nun
schon die dritte Nacht, daß ich für Geld die Wache habe. Beinahe
kann ich es nicht mehr aushalten. Indes freue ich mich, daß ich nun
wieder 10 Taler für Sie verdient habe, welche ich Ihnen hierbei
schicke.“ — Gerührt über das gute Herz dieses Jünglings, läßt der
König ihn schlafen, geht in sein Zimmer, holt zwei Rollen mit
Dukaten, steckt ihm in jede Tasche eine und legt sich wieder zu Bett.
Als der Edelknabe erwachte und das Geld in seinen Taschen
fand, konnte er wohl denken, wo es hergekommen sei. Er freute
sich zwar darüber, weil er nun seine Mutter noch besser unter¬
stützen konnte; doch erschrak er auch zugleich, weil der König
ihn schlafend gefunden hatte. Am Morgen, sobald er zum Könige
kam, bat er demütig um Vergebung wegen seines Dienstfehlers
und dankte ihm für das gnädige Geschenk. Der König lobte
seine kindliche Liebe, ernannte ihn sogleich zum Offizier und