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3. Bilder aus der Tänder- und
Völkerkunde.
LS2. Deutschland.
Die weiten Fluren, die sich, mannigfaltig durchschnitten, von den
höchsten Alpen über dem mittelländischen und dem adriatischen Meere
in unbestimmten Grenzen westlich an den Ufern der Maas und der
Schelde hinab bis zur Nordsee Hinbreiten und östlich von der March
hinüber zur Oder bis zu dem Ausflusse der Weichsel, nennen wir
Deutschland.
Dieses Land in dieser Ausdehnung gehört zu den schönsten Län¬
dern, welche die Sonne begrüßt in ihrem Laufe.
Unter einem gemäßigten Himmel, unbekannt mit der sengenden
Luft des Südens wie mit der Erstarrung nördlicher Gegenden, die
größte Abwechselung, die reichste Mailnigfaltigkeit bietend, köstlich für
den Anblick, erheiternd und erhebend für das Gemüt, bringt Deutsch¬
land alles hervor, was der Mensch bedarf zur Erhaltung und zur
Förderung des Geistes, ohne ihn zu verweichlichen, zu verhärten, zu
verderben. Der Boden ist fähig zu jeglichem Anbau. Hier scheint
sich die Schöpferkraft gesammelt zu haben, die dort versagt ward.
Unter dem bleibenden Schnee der Alpen dehnen sich die herrlichsten
Weiden aus, von der Wärme doppelt belebt, die an jenem wirkungs¬
los vorüberging. An der kahlen Felswand zieht sich ein üppiges Tal
hinweg. Neben Moor und Heide, nur von der bleichen Binse und
von der Brombeerstaude belebt und menschlichem Fleiße nichts ge¬
während als die magere Frucht des Buchweizens oder des Hafers,
erfreuen das Auge des Menschen die kräftigsten Fluren, geeignet zu
den schönsten Saatfeldern und zu den herrlichsten Erzeugnissen des
Gartenbaues. Fruchtbäume prangen in unermeßlicher Menge und in
jeglicher Art, vom sauren Holzapfel bis zum lieblichen Pfirsich. Hoch
aus den Bergen des Landes erhebt unter Buchen und Tannen die ge¬
waltige Eiche ihr Haupt zu den Wolken empor und blickt über Ab¬
hänge und Hügel hinweg, welche den köstlichsten Wein erzeugen, die
Freude der Menschen, in der Ferne wie in der Nähe gestlcht und ge¬
wünscht von Hohen wie von Geringen.