Full text: Lehr- und Lesebuch für städtische und gewerbliche Fortbildungsschulen

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wahren Freund gefunden zu haben, dann achte ihn, und vermeide 
alles, was ihn dir wieder entreißen könnte. Gewiegte Freundschaft 
ist kostbar, aber selten. 
Lerne dich selbst überwinden, denn je mehr du dich selbst be— 
herrschen kannst, desto leichter wird dir der Verkehr, der Umgang 
mit anderen werden. Gehe denjenigen Menschen aus dem Wege, 
welche alles tadeln. Der eigentliche Grund ihrer Unzufriedenheil 
liegt in ihnen selber; denn wer mit Gott in Frieden ist, ist es auch 
bald mit sich selbst und sucht auch den Frieden unter seinen Mit 
menschen zu erhalten. — 
Böse Gesellschaften verderben gute Sitten und rauben das Ver— 
trauen anderer zu uns. Ein Weiser sagt: „Sage mir, mit wem du 
umgehst, so werde ich dir sagen, wer du bist; weiß ich, womit du 
n beschäftigst, so weiß ich, was aus dir werden kann.“ Ein ge— 
wisses Mißtrauen wird dich schützen, daß du nicht die Beute ver— 
schlagener Gauner wirst. — Hüte dich vor Ohrenbläsern, denn diese 
sind schlechte Leute, sind Schurken, stiften Feindschaft und Zwietracht. 
Verwandt mit ihnen sind die Schmeichler. Viele Menschen lassen 
sich leider ganz von ihrem persönlichen Vorteile leiten und verfallen 
dadurch leicht in das Laster der Schmeichelei. Traue daher am 
wenigsten denjenigen, welche dich zu oft in das Gesicht loben, welche 
dir schmeicheln oder sich gar zu angelegentlich in deine Nähe drängen. 
Jede Wirtshausfreundlichkeit mußt du mit saurem Schweiße bezahlen; 
sei deghalb auf der Hut. Trau, schau, wem! 
Ube Näãchstenliebe, wo du Gelegenheit und Möglichkeit dazu 
findest; übe sie unverdrossen, laß dich durch keinerlei Undank in der 
Ausübung stören oder gar gleichgültig machen. Du kennst ja das 
Sprichwort: „Undank ist der Welt Lohn.“ Nicht um des Dankes 
willen sollen wir Nächstenliebe üben, denn dann wäre unser Lohn 
schon dahin. Nicht um der Menschen willen sollen wir das Gute 
unter den Mitmenschen thun, sondern um Gottes willen. Wer in 
letzterer Absicht das Gute übt, leihet auf Zinsen aus, die sicherlich 
bezahlt werden, denn Gott bleibt nichtz schuldig. Nichts trägt reich— 
lichere Früchte als die Ausübung christlicher Nächstenliebe. 
In dem Verkehr mit Menschen suche nach Kräften die göttliche 
Regel wahr zu machen: „Was du nicht willst, das dir geschehe, das 
thue auch keinem andern; aber alles, was ihr wollt, daß euch die 
Menschen thun, das thüt ihnen auch.“ Schreibe fleißig aus der 
Fremde in das elterliche Haus, das erweckt Zutrauen und erhält die 
gegenseitige Liebe und Anhänglichkeit. 
Lieber Bruder, befolge meine Ratschläge, denn sie erwecken und 
erhalten gute Vorsätze und helfen sie auch ausführen. Richte in der 
Fremde dein Leben so ein, wie ich dit gesagt habe, dann bist du ein 
braver Handwerker, dann können wir alle, Eltern und Geschwister, 
die Hoffnung hegen, daß du einst tüchtig in deinem Fache und gesund 
an Leib und Seele zurückkehren werdest.
	        
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