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„Es ist eine greuliche Kälte," sagte die kleine Maus. „Sonst
ist's hier herrlich. Nicht war, du alter Tannenbaum?"
„Ich bin keineswegs alt," sagte der Tannenbaum, „es
gibt viele, die bedeutend älter sind als ich."
„Wo kommst du her?" fragten die Mäuse, „und was
weiht du?" Sie waren so außerordentlich neugierig. Erzähl
uns doch von dem herrlichsten Ort auf Erden! Bist du dort
gewesen? Warst du in der Speisekammer, wo Käse auf den
Brettern liegt und Schinken unter der Decke hangen, wo man
auf Talglichtern tanzt, mager hineingeht und fett herauskommt?"
„Das kenne ich nicht," sagte der Baum,- „aber den Wald
kenn' ich, wo die Sonne scheint, und wo die Vöglein singen."
Und nun erzählte er alles aus seiner Jugend, und die kleinen
Mäuse hatten früher nie dergleichen gehört, und sie hörten zu
und sagten: „Nein, wieviel du gesehen hast! Wie glücklich du
gewesen bist!"
„Ich?" sagte der Tannenbaum und überdachte, was er
selbst erzählte, ja, im Grunde waren's ganz lustige Zeiten. —
Aber dann erzählte er vom Weihnachtsabend, als er mit Kuchen
und Lichtern geschmückt war.
„O!" sagten die kleinen Mäuse, „wie glücklich du gewesen
bist, du alter Tannenbaum!"
„Ich bin keineswegs alt," sagte der Baum, „in diesem
Winter kam ich ja vom Walde. Ich bin in meinem allerbesten
Alter und nur im Wachstum zurückgeblieben."
„Wie herrlich du erzählst!" sagten die Mäuschen. Und
in der nächsten Nacht kamen sie mit vier andern kleinen Mäuschen,
die den Baum erzählen hören sollten, und je mehr er erzählte,
desto deutlicher erinnerte er sich selbst an alles, und er dachte:
„Es waren doch ganz lustige Zeiten. Aber sie können wieder
kommen, können wieder kommen. Klumpe -Dumpe fiel die
Treppe hinunter und erhielt doch eine Prinzessin,- vielleicht
kann ich auch eine Prinzessin bekommen!" Dabei dachte der
Tannenbaum an eine kleine niedliche Birke, die draußen im
Walde wuchs,- sie war für den Tannenbaum eine wirkliche,
liebliche Prinzessin.
„Wer ist Klumpe - Dumpe ?" fragten die kleinen Mäuse.
Und nun erzählte der Tannenbaum das ganze Märchen. Cr