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daß sie nie und zu keiner Zeit fragen solle, woher er gekommen
und welches sein Geschlecht sei, denn sonst müsse sie ihn verlieren.
Der Herzog und die Herzogin bekamen zwei Kinder, die waren
wohbl geraten; aber immer mehr fing es an, ihre Mutter zu drücken,
daß sie gar nicht wubte, ver ihr Vater war, und endlich tat sie
an ihn die verbotene Frage. Der Ritter erschrak heftig und sprach:
„Nun hast du selber unser Glück zerbrochen und mich am längsten
gesehen.“ Die Herzogin bereute es, aber zu spät; alle Leute fielen
zu seinen Füßen und baten ihn, zu bleiben. Der Held waffnete sich,
und der Schwan kam mit demselben Schifflein geschwommen;
darauf küßte er beide Kinder, nahm Abschied von seinem Gemabl
und segnete das ganze Volk; dann trat er ins Schiff, fubr seine
Strabe und kebrte nimmer wieder. Der Frau ging der Kummer zu
Herzen, doch zog sie fleibig ihre Kinder auf. Von diesen stammen
viele edle Geschlechter, die von Geldern sowohl, als von Gleve, auch
die Rienecker Grafen und manche andere; alle führen den Schwan
im Wappen. .
d. Gotentreue.
Erschlagen lag mit seinem Heer
Der König der Goten, Theodemer.
Die Hunnen jauchzten auf blut'ger Wal,
Die Geier stießen herab zu Tal.
Der Mond schien hell, der Wind pfiff kalt,
Die Wölfe heulten im Föhrenwald.
Drei Männer ritten durchs Heidegefild,
Den Helm zerschroten, zerhackt den Schild.
Der erste über dem Sattel quer
Trug seines Königs zerbrochenen Speer.
Der zweite des Königs Kronhelm trug,
Den mitten durch ein Schlachtbeil schlug.
Der dritte barg mit treuem Arm
Ein verhüllt Geheimnis im Mantel warm.
So kamen sie an die Donau tief,
Und der erste hielt mit dem Roß und rief:
„Ein zerhau'ner Helm — ein zerspellter Speer —
Vom Reiche der Goten blieb nichts mehr!“
Und der zweite sprach: „In die Wellen dort
Versenkt den traurigen Gotenhort;
Dann springen wir nach von dem Uferrand —
Was säumest Du, Vater Hildebrand?“
„Und tragt ihr des Königs Kron und Speer: —
Ihr treuen Gesellen — ich habe mehr.“