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Auch die Lust an der Natur var in den dumpfen Gassen ervacht.
Oberall wurde in den deutschen Städten das Frühlingsfest mit Lust
und Jubel begangen, und im Freien ward getanzt.
6.
Das Kriegswesen lag den Bürgern ob. Jeder 2ünftige
Meister mubßte mit Waffen verseben sein. Diese waren von der
Jerschiedensten Art und den wunderlichsten Namen. Im gewöhn-
lichen Leben war das Tragen der Waffen auf dem Markt und der
Gasse verboten; auf der Reise und Fabrt ging aber jedermann be—
wehrt. Jede Zunft war im Besitz eigener Banner und Zeughäuser;
die Zunftmeister waren die Führer gegen den Feind. Die gebräuch-
liehste Waffe war die Armbrust, deren Erfindung dem Morgenlande
angehört; die Bürger gebrauchten sie mit grober WVirkung von den
Zinnen ihrer Staäte herab. Es entstanden die Schützengilden
der Kaufeute und Handwerker. Braunschweig ging in der Ausbil-
dung des Schützenwesens voran. Dort gab es schon im Jabre
1265 eine Schũtzenstrabe, und das Armbrustschieben nach dem
Vogel auf hoher Stange blieb noch lange neben dem PFeuerrohre in
Gebrauch. Mit Freudenspielen mancherlei Art ergötzte sich die
Bürgerwehr. So baten die Magdeburger den tapferen Bruno von
8tõrenbeck, ein recht besonderes Freudenspiel zu ersinnen. Herr
Bruno lud darauf mit seinen wohlgesetzten Briefen die Kaufherren
von Goslar, Hildesneim, Braunschweig, Quedlinburg, Halberstadt
und andere Nachbarn zu Pfingsten nach Magdeburg. Die Geladenen
fanden sich zahlreich ein, die Goslarer mit verdeckten Rossen, die
Braunschweiger in Grün, andere in besonderer Rüstung und Klei-
dung. Auf einer Insel in der Elbe erhoben sich Zeltreihen, und
duf schlderbaumen wurden die Wappenschilder aufgehängt. Am
folgenden Tage nach der Messe und dem Mittagsmable zog man
hinaus und erlaubte jedem Fremden, den Schild dessen zu berüh-
ren, mit dem er kämpfen wollte. Ein alter Kaufmann aus Goslar
Ferdiente den schwer erworbenen Kampfpreis. Wie sehr auch der
bürgerliche Bogen die ritterliche Lanze verdrangte, so blieben doch
noch lange die ritterlichen Bezeichnungen, wie „Abenteuer“ für
Preis, „Stechen“ für den Wettkampf und „Rennen“ für eine Reibe
von Schũüssen.
G. Proytag.
87. Der Graf von habsburg.
Zu Aachen in seiner Kaiserpracht, Wie der Sterne Chor um die Sonne
Im altertümlichen Saale sich stellt,
Saß König Rudolfs heilige Macht Umstanden geschäftig den Herrscher
Beim festlichen Krönungsmahle. der Welt,
Die Speisen trug der Pfalzgraf des Die Würde des Amtes zu üben—
Rheins, Und rings erfüllte den hohen Balkon
Es schenkte der Böhme des perlenden Das Volk in freud'gem Gedränge;
Weins, Laut mischte sich in der Posaunen Ton
Und alle die Wähler, die sieben, Das jauchzende Rufen der Menge.