Full text: Lesebuch für gewerbliche Fortbildungsschulen

45. Die Leipziger Messe. 
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fort, und durch nichts mehr gehemmt, schießt donnernd und brausend 
der rasende Strom durch die weite Gasse dahin, tief den Grund auf— 
wühlend, alles, was er auf seinem Wege findet, mit sich fortspülend, 
Häuser im Nu zertrümmernd, Bäume ausreißend, Menschen und Tiere 
in seinen Fluten begrabend und bald die ruhige Marschebene in eine 
wilde, graue Wasserfläche verwandelnd. 
Sowie sich daher eine Kappstürzung zeigen will, wird in höchster 
Hast das Möglichste aufgeboten, um dieselbe zu verhindern— Sandsäcke, 
Mist, Stroh, Balken, Bretter, alles, was nur irgend dienlich sein kann, 
wird zur Verstärkung auf die bedrohte Stelle gebracht. Ja, als bei 
der großen Flut am 21. Oktober des Jahres 1845 die e— 
unablässig dahinbrausenden Fluten bereits anfingen, sich oben durch die 
Kappe des Deiches von dem Osterstader Dorfe Offenwarten einen Weg 
zu bahnen, eine Kappstürzung mit jeder Minute vorauszusehen und dann 
äin vollendeter Durchbruch unvermeidlich war: da warfen sich die Ein— 
wohner des Dorfes, an ihrer Spitze der Ingenieur Schröder, ein Enkel 
des Astronomen, voll Mut mit ihren Leibern auf die Deichkappe. Jeder 
ein Bündel Stroh vor sich, lagen sie hier so lange in Sturm und 
Wogendrang, bis das Wasser gefallen und die Not vorüber war. So 
retteten sie mit der Gefahr ihres Lebens und unter den unsäglichsten 
Anstrengungen ihr Heimatsdorf. Herm. Allmers, Marschenbuch.) 
45. Die Leipziger Wesse. 
Wie von Zauberhand berührt, verdoppelt sich die Thätigkeit von 
Millionen Menschen, wenn die Leipziger Messe naht. 
Leipzig ist in dieser Zeit die Hauptstadt von Europa; denn alle 
Erdteile senden ihre Käufer oder Verkäufer oder mindestens ihre Produkte 
zur Messe. Mancher Amerikaner, mancher Armenier, Perser, Inder, 
Japanese weiß nichts von Sachsen, kaum etwas von Europa, aber von 
Leipzig und seinen Messen hat er wohl reden hören. Goethe hat diese 
Stadt einmal ein „Kleinparis“ genannt, aber während der Meßzeit 
läßt sie sich vergleichen mit der Welthandelsstadt an der Themse, sie 
wird zum „Kleinlondon“. Was London für den Seehandel, das ist 
Leipzig für den Landhandel — ein Weltmarkt ersten Ranges. 
Leipzig in solcher Zeit zu sehen, lohnt schon eine kleine Reise; 
merkwürdig ist, wie die Stadt Leipzig kurz vor Beginn der Messe 
ihr Aussehen verändert, namentlich zu Ostern und Michaelis, denn 
die Neujahrsmesse gilt nur für eine halbe Messe. Alles dräugt und 
eilt, sich auf den Einzug der Meßfremden gehörig vorzubereiten, alles 
will verdienen. Daher wird während der Meßzeit auch vermietet, was
	        
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