Full text: (Für das 4. und 5. Schuljahr) (Band 2, [Schülerband])

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2. Der Mann hatte nichts in der Hand als seine Geige, und 
in der Angst fängt er an, da vor dem geöffneten Wolfsrachen alle 
seine Stücklein aufzugeigen, die ihm aber diesmal selber gar nicht 
lustig vorkamen. Dem Wolf mußte aber diese Musik ganz besonders 
schön und rührend vorkommen, denn das dumme Vieh fing an über¬ 
laut zu heulen, was wohl wie bei unsern musikalischen Hunden, 
wenn sie Sang und Klang hören, gesungen heißen sollte. Die 
andern Wölfe draußen im Walde, da sie ihren Kameraden drinnen 
in der Grube so singen hörten, stimmten auch mit ein, und ihr 
Geheul kam manchmal so nahe, daß das Geigerlein, an welchem 
kaum ein einziger Wolf satt geworden wäre, geschweige zwei, jeden 
Augenblick fürchten mußte, es käme noch ein anderer, auch wohl 
noch dritter und vierter Gast zu seinem bißchen Fleisch in die Grube 
herein. 
3. Unser Kapellmeister in der Wüste guckte indes einmal übers 
andere in die Höhe, ob's noch nicht Tag werden wollte; denn das 
Geigen war ihm sein Lebtag noch nicht so lang geworden und so 
ganz sauer und niederträchtig vorgekommen, als da vor dem Wolfe, 
und er hätte lieber Holz dafür hacken wollen, zwanzig Jahre lang 
alle Wochentage. Ehe aber der Morgen kam, waren schon zwei 
Saiten geriffen, und da es Tag wurde, riß die dritte, und der 
Geiger spielte nun bloß noch auf der vierten und letzten, und märe 
die auch noch zerriffen, so hätte ihm der Wolf, der durch das viele 
Heulen die ganze Nacht hindurch nur noch hungriger geworden war, 
keine Zeit mehr gelassen zum Wiederaufziehen, sondern hätte ihn 
dabei aufgefressen. 
4. Da kam zum Glück der alte Jobst, der Jäger, der den 
Wolf schon von weitem singen, den Geiger aber in der Nähe geigen 
hörte. Dieser zog den Kapellmeister gerade noch zur rechten Zeit 
von dem hungrigen Wolfe heraus und erlegte dann diesen. Der 
Kapellmeister ging aber ganz still seines Weges und nahm sich vor, 
künftig lieber am Tage und auf geradem Wege nach Hause zu 
gehen. Das Geigen im Wirtshause war ihm auch so ganz ent- 
leidet, daß er zu seinen Kameraden sagte, er wolle sich lieber mit 
der Nähnadel (denn er war ein Schneider) sein tägliches Brot 
erzeigen, und wenn er einmal eins auf Saiten aufspielen wollte, 
so täte er's lieber in der Kirche als im Wirtshause; denn von 
dort sei ein gerader und sicherer Weg nach Hause, sei auch nicht so 
weit dahin als vom Wirtshause. Schubert.
	        
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