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licher Schmerz: alles ist nichts! Ich legte still die Uhr wieder hin,
verließ rasch das Zimmer, ging auf meine dunkle Kammer und weinte
und wehklagte, daß es mir fast das Herz abstieß. Der Gedanke
schoß mir durch den Sinn, ich wollte mich umbringen, weil ich keine
goldene Repetieruhr bekommen, und ich weinte wieder um mein
junges Leben, weil ich jetzt schon sterben müsse, da alle meine Hoff—
nungen zunichte geworden. Meine Mutter kam bald mit Licht, und als
ich ihr meinen unbeschreiblichen Jammer über die Täuschung klagte,
schüttelte sie den Kopf, preßte die Lippen zusammen und sah mich an
mit jenen treuen, lieben Augen, die mir stets offen stehen, wenn sie
der Tod auch längst geschlossen hat. Sie erklärte mir nun mein
Unrecht: Ich wäre ja mit einer einfachen Uhr zufrieden gewesen, wenn
ich nichts von einer goldenen Repetieruhr gewußt hätte; der Vater
habe mich nur necken und mir dabei die Lehre geben wollen, wie
man auch mit Geringerem, als man erwartet habe, sich freuen könne;
ich solle nicht undankbar sein gegen Gott und die Menschen. So
sprach sie in ihrem milden, herzinnigen Tone, und als ich mich aus—
geweint hatte, ging ich mit ihr hinab in die Stube. Ich war nicht
mehr traurig, aber auch nicht glücklich, und es war doch eine solide,
pünktliche Uhr, die jetzt mein eigen geworden war. Als ich im Bette
lag, kam der böse Geist wieder über mich; ich war so wild, daß ich
aufstehen und die Uhr zum Fenster hinauswerfen wollte; es war mir
aber doch zu kalt außer dem Bette, und ich blieb fein liegen.
Wie oft werden böse Thaten nur durch kleine Umstände ver—
hindert, und wir haben deshalb gar keinen Grund, auf unsere
Tugenden stolz zu sein.
Vom Weinen und von heftigen Gemütsbewegungen ermattet, schlief
ich bald fest ein und freute mich am andern Morgen beim Erwachen,
daß meine Uhr so lustig „tick, tack“ machte. Acht Tage lang wich
ich meinen Kameraden auf Weg und Steg aus; ohne Not, denn sie
hatten meine Prahlereien bald vergessen. Ich trug die Uhr lange
bei mir, ohne sie jemand zu zeigen, und war damit in mir vergnügt.
Das sind nun vierzig Jahre seit jenen Weihnachten; hier habe
ich noch die Uhr, und sie verfehlt keine Minute.
Seitdem habe ich die Worte meiner Mutter erst recht verstanden,
oder auch selbst die Wahrheit aus dieser Geschichte gefunden. Wenn
ich einen Menschen sehe, der mit nichts, was ihm zukommt, recht
glücklich sein kann, weil er immer Stolzeres erwartet hatte, denke ich:
„Der hat auch eine goldene Repetieruhr gehofft!“ — Wenn ich ein
Geschäft machte und mich ärgerte, daß es nicht ausschlug, wie ich er—
wartete, sage ich mir: „Hast noch immer die goldene Repetieruhr im
Kopfe?“ — Sehe ich einen Mann, der im Staate oder sonst hoch
hinauswollte und nun sich in Mißmut verzehrt, weil er in unter—
geordneter Stellung sein Leben verbringen muß, möchte ich ihm zu—
rufen: „Laß das Drücken am Heber, es macht nicht ,bim, bam, sei
froh mit dem einfachen Zeiger!“ — Beobachte ich ein junges Ehe—