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Nach dem räumlichen Geltungsgebiete unterscheidet man zwischen 
Reichs⸗ und Landesgesetzen. Reichsgesetze gehen stets den Landesgesetzen 
vor. Landesgesetze, die den Reichsgesetzen widersprechen, sind ohne Rechts— 
wirkung („Reichsrecht bricht Landrecht“). 
Die Veröffentlichung der Gesetze erfolgt heute in gedruckten Gesetzes— 
sammlungen (Reichsgesetzblatt, Landesgesetzblatt). 
Das wichtigste und oberste öffentlich-rechtliche Gesetz ist das Staats— 
grundgesetz (Reichsverfassung, Landesverfassungen). 
Die Verfassungen enthalten die sogenannten Grundrechte, d. h. all— 
gemeinen Rechte der Staatsbürger gegenüber der Staatsgewalt. Die durch 
diese Grundrechte den Deutschen gewährleisteten Rechte sind im wesentlichen 
folgende: ein allgemeines deütsches Staatsbürgerrecht, verbunden mit dem 
Rechte, überall innerhalb des Reichsgebietes sich aufzuhalten, Grund— 
eigentum zu erwerben, Gewerbe zu betreiben, das Bürgerrecht zu erlangen. 
Gleichheit vor dem Gesetze mit Aufhebung aller Standesvorrechte und 
Standesunterschiede; gleiche Wehrpflicht für alle und gleiches Recht aller 
zu allen Staatsämtern; Preß-, Glaubens- und Kultusfreiheit, Freiheit 
der Wissenschaft und ihrer Lehre. 
Die Reichsangehörigkeit wird mittelbar, nämlich durch den Erwerb 
der Staatsangehörigkeit irgend eines Bundesstaates erworben. Die staats- 
rechtliche Verleihung der Staatsangehörigkeit an Ausländer ist die so— 
genannte Naturalisation. 
Verloren wird die deutsche Staatsangehörigkeit durch Entlassung aus 
dem Untertanenverbande, durch Verheiratung einer Deutschen mit einem 
Ausländer, dagegen noch nicht durch bloße Auswanderung, ja selbst nicht 
durch den Erwerb einer fremden Staatsangehörigkeit. Erst durch zehn— 
jährigen, zuweilen auch schon durch fünfjährigen ununterbrochenen Aufenthalt 
im Auslande geht sie verloren. Wer sich im Auslande das Recht der 
deutschen Staatsangehörigkeit erhalten will, muß sich in die sogenannte 
Mairikel des deutschen Reichskonsuls eintragen lassen. 
Jeder Deutsche hat das Recht der freien Bewegung und Tätigkeit 
im Reichsgebiete. Das bestimmt das Freizügigkeitsgesetz vom 
1. November 1867. 
Die Eheschließung ist durch Gesetz vom 4. Mai 1868 von 
früheren polizeilichen Beschränkungen befreit. 
Deutsche, die hilfsbedürftig sind, haben nach dem Gesetz, be⸗ 
treffend den Unterstützungswöhnsitz vom 30. Mai 1908 ein Recht 
auf Armenunterstützung. Durch das Vereinsgesetz vom 19. April 
1908 ist allen Reichsangehörigen — Männern wie Frauen — das Recht 
beigelegt worden, Vereine zu bilden und sich zu versammeln. Doch steht 
der Polizei politischen Vereinen gegenüber ein Aufsichtsrecht zu. 
Die Strafgesetze enthalten die Vorschriften, in denen der Staat 
zum Schutze seiner selbst und der Privaten gewisse Handlungen mit be— 
sonderen Nachteilen (Strafen) bedroht. Das Strafrecht, welches im 
deutschen Strafgesetzbuche und zahlreichen Nebengesetzen niedergelegt ist, 
wird angewendet auf alle im Reichsgebiet begangenen strafbaren Hand— 
lungen, ohne Unterschied, ob der Täter ein In- oder ein Ausländer ist. 
Gewisse Vergehen, wie Hochverrat und Münzverbrechen, werden auch dann 
geahndet, wenn sie im Auslande begangen sind. Über die Auslieferung
	        
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