Die alte Spitzenklöpplerin. — In der Schokoladenfabrik. 
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Nun mußte sie sich mit ihren Kindern allein durch die Welt schlagen, und 
sie sehte es redlich durch. Vom frühen Morgen bis zum späten Abend war sie 
fleißig beim Klöppeln, und ihre Kinder halfen ihr verdienen, so gut sie konnten. 
Zum Glück waren gerade einige Jahre, in denen die Spitzen gut bezahlt wurden, 
und da sie die geschickteste Klöpplerin weit und breit war, verdiente sie ein 
schönes Stück Geld. Aber mit der Zeit ließ das nach, andere Kleiderbesätze 
kamen in die Mode, und der Preis fuͤr die Spitzen sank schnell. Die Frauen 
und Maͤdchen gewöhnten sich nach und nach an die Posamentenarbeit und ver— 
lernten das Kloͤppeln beinahe ganz. Auch ihre Kinder hatten andere Erwerbs— 
zweige ergriffen und alle ihr Haus verlassen. Keine ihrer Töchter hatte sich, 
wie sie immer gehofft, im Orte verheiratet, sie war allein zurückgeblieben. 
Und es war, als ob mit dem lustigen Geklapper der Klöppel auch die 
alte erzgebirgische Geselligkeit und Gemütlichkeit verschwunden wäre. Die Mädchen 
gingen zu ihrem Verleger auf Arbeit oder gar in die Fabrik, und die ver— 
heirateten Frauen saßen meist allein zu Hause. Selten noch sah man sie im 
Sommer gruppenweise vor den Haustüren und im Winter in den Hutzenstuben 
beisammen sitzen. Und die Männer erst, die waren überhaupt nicht mehr zu 
Hause zu halten, die gingen abends ins Wirtshaus. 
Es war kalt und ungemütlich in den Häusern wie im Gemüt bei der 
jetzigen Generation, man fror, wenn man nur daran dachte. Und wirklich lief 
ihr in demselben Augenblick ein eiskalter Schauer über den Rücken. Nicht 
einmal die Sonne schien mehr so warm wie früher. Es war erst drei Uhr 
und noch Anfang September, und man konnte schon nicht mehr im Freien 
fitzen, und sonst hatte sie um diese Zeit abends noch lange mit ihrem Christian 
hier auf der Bank vor dem Hause geplaudert! Sie nahm ihren Klöppelsack 
und ging hinein in die Stube. Drinnen bei ihren alten Bildern und Er— 
innerungen war es warm und gemütlich. Th. Engel. 
Aus „Kalender für Erzgebirge und Vogtland 1807“. 
100. In der Schokoladenfabrik. 
Von einer Arbeiterin berichtet. 
Es war im September 1908, als ich bei der weitbekannten Firma Wilhelm 
Scheffel in L. nach Arbeit fragte. Der Geschäftsinhaber forderte meine Zeug⸗ 
nisse. Mit Freuden konnte ich sie vorlegen. Ich wurde angenommen, und am 
anderen Morgen trat ich meine neue Stellung an. Um /,7 läutete die Glocke 
zum Beginn der Arbeit. Pünktlich war ich mit ein paar Hundert Mädchen 
und Arbeitern zur Stelle. Ich kam hinauf in das Lager II. 70 und mehr 
Mädchen waren hier beschäftigt, Schokoladenwaren in Stanniol einzuschlagen. 
Ein Fräulein wies mir einen Platz an und sagte mir, was ich zu tun hätte. 
Es war nur leichte Arbeit. Gefällige Nachbarinnen zeigten mir die vorteil— 
haftesten Handgriffe, und ich fühlte mich im Lagersaal bald sehr wohl. 
Je laͤnger ich in der Fabrik war, desto mehr merkte ich, wie meine Tätig— 
keit doch nur ein so ganz, ganz verschwindend kleiner Teil der Arbeit war, die 
hier geleistet wurde. Doͤch machte ich mich nach und nach ganz vertraut mit 
dem vollständigen Werdegang der Schokolade. Unendlich vielerlei muß geschehen, 
ehe man die süße Leckerei verspeisen kann. 
Schon von meiner Schulzeit her wußte ich, daß man zur Herstellung der 
Schololade Kalao braucht. In groͤßen Säcken sah ich denn auch diesen Roh— 
sloff in Gestalt von glänzenden braunen Kakaobohnen im Keller unserer Fabrik. 
Sie hatten, wie ich von unserem kaufmännischen Personal erfuhr, eine weite 
Reise hinter sich. Denn Mittelamerika, Venezuela und Brasilien ist die Heimat
	        
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