204 
Selbsterziehung für Beruf und Leben. 
und eine wissenschaftliche Grundlage des Wasserheilverfahrens 
geschaffen. 
Bei der Krankheitsverhütung spielt nun das Wasser eine sehr bedeutende 
Rolle. Nicht nur als Mittel der Reinlichkeit, sondern auch als ungemein 
wirksames Mittel zur Abhärtung des Körpers gegen kränkheitserregende 
Schädigungen. 
Was verstehen wir nun unter Abhärtung? In der Hauptsache die Ge— 
wöhnung des Körpers daran, sich äußeren Temperatureinfluͤssen, stärkeren Ab— 
kühlungen oder Erwärmungen rasch anzupassen, ohne daß es zu Störungen 
der normalen Lebensvorgänge komnmt. Namentlich soll der abgehärtete Körper 
lernen, bei einer plötzlich einwirkenden Abkühlung seinen Blütümlauf derart 
zu regeln, daß ein Wärmeverlust des ganzen Körpers oder seiner einzelnen 
Teile nicht eintritt, und daß der Blutumlauf in einzelnen Bezirken des Koͤrpers 
(besonders gefährdet sind die Schleimhäute der Nase, des Halses und der 
Luftröhre) sich nach Aufhören der Kälteeinwirkung rasch wieder in geordneter 
Weise abspielt. 
Am einfachsten wird eine vernünftige Abhärtung bei erwachsenen Personen 
in der Weise vorgenommen, daß man morgens, wenn der Körper durch die 
Bettwärme vorgewärmt ist, erst mit Wasser von Stubenwärme, später dann 
auch mit brunnenkaltem Wasser eine kurze Abwaschung oder Abreibung vor— 
nimmt. Am zweckmäßigsten ist es, dabei erst den Oberkörper zu entblößen 
und kurz abzuwaschen, dann nach Überwerfen eines Hemdes den Unterkörper 
ebenso zu behandeln, worauf nach kräftigem Abfrottieren durch rasches An— 
ziehen, auch durch einige Freiübungen oder sonstige Bewegungen für gute 
Wiedererwärmung gesorgt wird. Diese gute Wiedererwärmung ist überhaupt 
die Hauptsache bei all solchen Maßregeln, und es ist deshalb auch nötig, daß 
eine solche Abhärtungskur zu Anfang, insbesondere bei etwas blutarmen Per— 
sonen, im warmen Zimmer vorgenommen wird. 
Natürlich stehen uns auch andere Mittel zur Abhärtung zu Gebote, wie 
kurzdauernde kalte Duschen, kurze kühle Wannenbäder und insbesondere auch 
im Sommer kalte Fluß- und Seebäder, die ein vorzügliches Abhärtungs- und 
zugleich Kräftigungsmittel bilden, vorausgesetzt, daß sie in nicht zu langer 
Dauer genommen werden. Man scheue sich nicht vor dem Spott seiner Mit— 
badenden, wenn man zu Anfang des Sommers, solange man an die Bäder 
noch nicht gewöhnt ist, nur fünf Minuten oder selbst noch kürzer im Wasser 
bleibt, und denke daran, daß eine alte Baderegel der Engländer, deren Sinn 
für das Praktische und Zweckmäßige doch bekannt ist, „dreimal untergetaucht 
und dann raus“ lautet. 
Von großer Wichtigkeit ist es natürlich, daß die Abhärtung auch schon 
im Kindesalter beginnt, denn wir wissen ja, daß die „anfälligsten“ Kinder, 
die bald eine Halsentzündung, bald einen Luftröhrenkatarrh, bald eine Mittel— 
ohrentzündung und dergleichen mehr durchmachen, diejenigen sind, die am meisten 
verzärtelt werden, die ängstlich vor jedem Luftzug bewahrt bleiben und in den 
Wintermonaten oft wochenlang nicht vor die Türe kommen. Nun kann man 
die Kinder schon durch öfteres Hinausbringen an die frische Luft in zweck— 
mäßiger Weise abhärten. Aber auch des Wassers können wir uns zu diesem 
Zwecke bedienen, nur ist dabei ein etwas anderes Vorgehen als beim Er— 
wachsenen erforderlich. Der kindliche Körper, namentlich der Körper des 
kleinen Kindes, ist nämlich gegen Abkühlung besonders empfindlich, und zwar 
aus dem Grunde, weil beim Kinde die Körperoberfläche im Verhältnis zur 
Masse und zum Gewicht des Gesamtkörpers viel größer ist als beim Erwachsenen.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.