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Hauswirischaftliche Tätigkeit. 
nieder auf die blanken Schlüssel, während er zur Dienerin sagte: „Das 
braucht der Amtmann nicht.“ An dem Schlüsselbund der Frau war stets 
der Schlüssel zur Hand, den jemand haben wollte. 
v. Hedenstjerna. Übersetzt von Rhea Sternberg. 
41. Beseelte hände. 
„Sie hat beseelte Hände“, hörte ich einmal von einer Krankenpflegerin 
sagen. Was kann damit enen Kann denn die menschliche Seele 
aus ihrer geheimnisvollen Tiefe emporsteigen und sich bis in die Fingerspitzen 
des Menschen verbreiten? So wie das Blut des Menschen, das durch den 
Druck des Herzens bis in die fernsten Äderchen des Körpers hineingetrieben 
wird? Sicher nicht. Aber so wie ein guter Sohn auch in weiter Ferne dem 
Liebesworte seiner Mutter treu bleibt und so handelt, als wenn ihr Auge auf 
ihm ruhte, so kann auch die menschliche Hand der Seele so innigen Gehorsam 
leisten, als sei diese Seele selber gegenwärtig in allen Fingerspitzen und bei 
jeder Bewegung. Dann sagt man, die Hand sei beseelt. Sie streicht so über 
die Stirne des Kranken, sie verbindet so die Wunden und bereitet so das 
Lager, daß der Kranke in jedem Augenblick spürt: die Hand dient nicht dem 
Wünsche, schnell fertig zu werden oder äußerlich die Pflicht zu tun, sondern 
sie ist geleitet von der zartesten Liebe, der angespanntesten Sorge und Umsicht 
für alles, was lindern und beruhigen könnte. 
Aber solche Beseelung ist nicht das Werk eines einzigen Entschlusses, 
sondern mühsame Übung im Kleinsten. Der schweizerische Dichter Jeremias 
Gotthelf erzählt einmal von einem kleinen, armen Mädchen, das er das „Erd— 
beermareili· nennt. Mareili erhielt ihre Mutter durch Erdbeersuchen. Sie 
ging so zart mit den Erdbeeren um, daß sie beim Abpflücken keine Pflanze 
beschädigte und zerpflückte oder unreife Beeren mit abriß oder die reifen zer— 
drückte oder andere Pflanzen zertrat. Und ihr ganzes Wesen nahm durch 
diese Sorgfalt so etwas ganz Eigenartiges und Wohlerzogenes an, wie selbst 
Kinder aus den besten Häusern oft nicht haben. Darum wurde sie von einem 
Fräulein, das ihr einmal im Walde zuschaute, als Kammerzofe ins Schloß 
genommen. Dieses Edelfräulein sah dabei zu seinem Erstaunen, wie gewandt 
und zart das Erdbeermareili auch in der Krankenpflege sei, ohne sich jemals 
darin geübt zu haben. Sie hatte eben durch ihren feinen Umgang mit den 
Erdbeeren „beseelte Hände“ bekommen. Darum sagt der Dichter in seiner 
Erzählung von ihr: „Jetzt trug die Zartheit, mit welcher Mareili seine Erd— 
beeren behandelt hatte, guͤte Früchte. Das Fräulein behauptete, eine so leichte 
Hand, die man fast nicht fühle, wenn sie am Leibe herum hantiere, habe es 
noch nicht erlebt.“ 
Darum lernt im Kleinen eure Hände beseelen, denn eine gebildete Hand 
kann im Leben ebenso viel Wunder tun wie ein gebildeter Geist — und ein 
gebildeter Geist mit einer ungebildeten Hand ist ein trauriger Anblick! Ubt 
eure Hand beim Tischdecken oder Geschirrspülen, beim Blumenbegießen und 
Türschließen — oder auch morgens beim Waschen, wenn eure Mutter oder 
euer Bruder noch schläft — beseelt alles mit Liebe und Fürsorge! Oder 
wenn ihr Tinte in euer Tintenfaß gießt, ja sogar wenn ihr eßt — denkt 
niemals, es gäbe irgendein Tun in der Welt, wäs zu klein und nichtig sei, 
um mit wachsamem Gedanken dabei zu sein und es zu adeln, indem man es 
aus dem Stande der Nachlässigkeit und Ungeschicklichkeit in den Stand der 
Beseelung erhebt. Friedrich Wilhelm Förster, „Lebenskunde“.
	        
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