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nickte dieser; „weißt du es besser?“ — „Ich kann dir wenigstens eine
Geschichte von einem blutarmen Kerl erzählen, den ich selber kenne,
welcher in kurzer Zeit auf ehrliche Art, d. h. durch Fleiß, Geschick und
Sparsamkeit, ein reicher Mann geworden ist; willst du sie hören?“ —
„Nanu,“ erwiderte der Hamburger lachend, „da bin ich gespannt. Aber
nicht lügen, Magdeburger, sonst mußt du etwas zum besten geben.“
„In der Nähe von Magdeburg“, begann jetzt der Magdeburger,
„liegt ein Dorf, das heißt Köfarsleben. In dem Orte ist eine Zucker—
fabrik, die einigen Bauern gehört. Die Gegend ist gut, die Bauern sind
reich. Auch ein Gasthof ist in Köfarsleben, und in diesen Gasthof kommt
eines schönen Tags ein Gelbgießergeselle zugereist mit Frau und Kindern. —
Der Mann hatte in einer Fabrik in Arbeit gestanden; die Fabrik hatte
den Betrieb plötzlich einstellen und ihre Leute entlassen müssen. So war
der Mann brotlos geworden. Große Ersparnisse hatte er als Fabrik—
gelbgießer und Familienvater nicht machen können. Da er in der Heimat
keine Arbeit fand, griff er zum Wanderstabe. Auf der Wanderschaft
wurde dem Armsten auch noch sein Weib krank, und deshalb mußte er sich
entschließen, in Köfarsleben auf längere Zeit Quartier zu nehmen. Der
Gastwirt war mitleidig genug, der Familie einen Raum anzuweisen, in
welchem Menschen sonst allerdings nicht zu wohnen pflegten, in dem sie
aber doch Unterschlupf fand und ein paar Bund Stroh, um die kranken
und müden Glieder darauf ausruhen zu lassen.
In demselben Gasthause verkehrten auch die Zuckerfabrik-Bauern des
Dorfes. Und als diese abends kamen, ihren Schoppen zu trinken, da
hörte der Wirt, daß sie Unglück in der Fabrik gehabt hätten. Es war
nämlich gerade zu Beginn der Zuckerkampagne, und sie hatten mit der
Arbeit aufhören müssen, weil an der Dampfleitung etwas in Unordnung
geraten war. Das war sehr verdrießlich; denn eine einzige Stunde
Unterbrechung bedeutete schon 1000 Mark Verlust. „Wenn wir nur einen
geschickten Gelbgießer bei der Hand hätten,“ rief der eine der Bauern,
„so einen, der seine Sache versteht, der könnte uns rausreißen; denn ehe
wir nach der Stadt schicken und von dort jemand holen lassen, vergehen
vier bis fünf Stunden, und dann ist es immer noch ungewiß, ob er die
Sache kennt.“ — „Einen Gelbgießer, sagten Sie, Herr Vahsel?“ fragte
der Wirt. — „Nun ja,“ erwiderte dieser, „einen tüchtigen Gelbgießer oder
auch einen Kupferschmied!“ — „Da kann ich vielleicht dienen,“ fuhr der
Gastwirt fort, „bei mir ist ein Gelbgießer zugereist; freilich viel scheint
mit ihm nicht los zu sein, denn er sieht recht herabgekommen aus. Aber
Gelbgießer ist er nach seinen Papieren.“
Der arme Wandersmann wurde sofort aus seinem Stalle in die
Wirtsstube gerufen, wo er nun in seinem fadenscheinigen Rocke vor den
reichen Bauern stand. „Sie sind Gelbgießer?“ fragte ihn der schon ge—
nannte Bauer Vahsel. „Jawohl, mein Herr“, sagte der Gelbgießer
ebenso fest wie bescheiden. „Setzen Sie sich dochl“ Mit diesen Worten
schob ihm ein anderer Bauer einen Stuhl hin und winkte dem Wirte,
ihm ein Glas Bier zu bringen. „Verstehen Sie denn Ihr Handwerk?“