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II. Ungebundene Form.
Glücks gewesen war. Friedrich Wilhelm sagte: „Mein Großonkel (Friedrich
der Große) hat gesagt: Ein tüchtiger Schatz ist die Stütze und Grundlage
des preußischen Staates. Nun haben wir aber weiter nichts als Schulden.
Ich will so sparsam sein, als es möglich ist. Der König wird mit den Ein—
künften des Prinzen auskommen müssen.“ Er, wie Luise blieben schlicht und
einfach in ihrer Lebensweise. Als der Kammerdiener vor dem neuen Könige
beide Flügelthüren aufriß, fragte dieser: „Bin ich denn jetzt so dick geworden,
daß eine Thür für mich zu enge ist?“ Als der Küchenmeister zwei Gerichte
mehr auf den Tisch brachte, weil der Kronprinz nun König wäre, sagte
dieser: „Man glaubt wohl gar, ich habe seit gestern einen größern Magen
bekommen!“
Nach wie vor gingen Friedrich Wilhelm und Luise in Berlin oft Arm
in Arm Unter den Linden und im Tiergarten spazieren ohne alles Gefolge;
nur das Volk drängte sich jauchzend um das junge Königspaar. Den Berliner
Weihnachtsmarkt besuchten beide Majestäten mit ihren Kindern; sie kauften
Spielzeug und Pfefferkuchen und beschenkten Kinder oder Mütter, die für
ihre Kinder einkauften. Während der König mehr zurückhaltend und wort—
karg blieb, war Luise freundlich und liebreich gegen jedermann. Oft hob sie
Kinder, die am Wege spielten, liebevoll zu sich empor und herzte sie. Sie
neigte sich zu dem Bettler und zu dem alten Mütterchen am Wege, und wo
eine Gabe nicht nötig war, da hatte sie für jeden ein freundliches Wort.
Einst lief ihr im Schloßgarten zu Charlottenburg ein Knabe aus Berlin beim
Pferdespielen in die Hände, weil er sie nicht gesehen hatte. Die Hofdame,
welche die Königin begleitete, wollte ihn tüchtig ausschelten; aber die Königin
unterbrach sie mit den Worten: „Lassen Sie nur! Ein Knabe muß wild
sein.“ Und zu dem Kleinen sagte sie: „Renne nur, mein Söhnchen, aber
falle nicht und bestelle einen schönen Gruß von mir an Deine Eltern.“
So wurde das königliche Haus mit seiner ehelichen Liebe und Treue,
wie mit seiner Kindererziehung, der Stolz und die Freude des ganzen Landes, ein
Vorbild, dem viele nachlebten. Aber diese sonnigen Tage stillen Glücks gingen
bald zu Ende. Mit dem Jahre 1806 brach durch Napoleon das Unglück
über das Land und die Königsfamilie herein Und ehe noch Preußen sich
erhob und das Joch des Zwingherrn abschüttelte, war die Königin schon 1810
zu ihrer Ruhe eingegangen.
24. Züge aus dem Leben des Königspaares.
a. Die Kirschen.
W. O. v. Horn (Wilhelm Ortel).
Als der König noch ein Knabe von zehn Jahren war, brachte an einem
Tage des Monats Januar ein Gärtnerbursche ein Körbchen mit schönen,
reifen, im Treibhause gezogenen Kirschen. Sie sahen unendlieb lockend
aus. Beim Anblicke der köstlichen Früchte, die der Prinz ohnehin sehr
liebte, wünschte er, sie zu geniessen. Der Kammerdiener Wolter sagte:
„Königliche Hoheit, sie sollen fünf Thaler kosten, denn es- ist eine großse
Seltenheit in dieser Jahreszeit.“
„Wie?“ rief verwundert der Prinz „Eine Handvoll Kirschen fünt
Thaler?“ — Rasch und entschieden drehté er sich um und sagte fest:
„Ieh mag sie nicht!“ — Und der Gärtnerbursche entfernte sich mit seinen
Kirschen.