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II. Ungebundene Form.
ce. Die beiden Englãnder.
W. O. v. HLorn (Wilhelm Ortel).
Die Pfaueninsel bei Potsdam war ein Lieblingsaufenthalt des Königs,
7 er nach den Regierungsgeschäften leiblich ünd geistig sich erholen
wollte.
Hier verlebte er an der Seite der unvergesslichen Königin Luise die
glücklichsten Stunden seines Lebens mit ihr und seinen Kindern, ehe das
Schwere Unglück über ihn kam. Gern mochte er hier sieh heiterer Ruhe
und ungestörter Stunden im Familienkreise erfreuen. Darum war an den
Tagen, wo die königliche Familie auf der Insel zu weilen pflegte, der Zu-
gang andern versagt.
Einst, es war im Sommer 1799, waren an einem der Tage, da
Fremden der Zutritt verboten war, 2weil feingekleidete Engländer zur Insel
gekommen, denen dies Verbot unbekannt var. Sie waren fern von dem
Orte, wo die gewöhnliche Fähre lag, gelandet, und niemand hatte sie
bemeérkt. die gingen in den Schattengängen umher, arglos sich der Schõn⸗
heit der Anlagen freuend, als ihnen der Hofmarschall v. Massow begegnete
und in zarter und sehönender Weise sie mit dem Verbote und seinem
besondern Grunde bekannt machte.
Es war an einem schönen Morgen, und es that ihnen leid, den herr—
lichen Aufenthalt verlassen zu müssen. Sie nahmen daher einen weiten
Umweg, um zu ihrem Landungsorte, wo ibr Kahn lag, zu gelangen.
Auf einmal begegnen sie einem hohen, stattlichen Herrn und einer
wunderschönen Dame, die, höchst einfach gekleidet, ohne weitere Begleitung,
in heiterm Gespräche daherkommen. In die Seele der Engländer kam keine
Ahnung, dals es — das Königspaar sein könne.
Der Herr blieb stehen und fragte freundlich, wie ihnen die Insel gefalle.
Die Engländer sprachen ihren Beifall an allem, was sie gesehen hatten,
in einfachen WMorten aus.
Da sorderte ie die Dame mit einer bezaubernden Freundlicehkeit auf,
mit ihnen zu gehen. die seien hier, fuhr sie fort, sehr genau bekannt und
würden sich ein Vergnügen daraus machen, ihnen manches zu zeigen, was
sonst vielleicht ihnen entgehen würde.
Gern würden sie der gütigen Einladung folgen, sagten die Engländer,
verbindliehet dankend; allein der Hofmarschall habe ihnen gesagt, die
kõnigliche Familie habe siech den Tag vorbehalten, und es sei andern der
Zutritt an ihm nicht gestattet; sie hätten, ohne es zu ahnen, gegen clies
hobe Verbot sich vergangen und seien eben im Begriffe, sich zu entfernen,
um nicht die Einsamseit der erbabenen Königsfamilie an diesem schönen
Orte dureh ihre Anwesenheit zu stören.
„So schlimm ist es aber doch nieht“, sprach die freundliche, sehöne
Damẽé. „Kommen Sie nur mit uns, wir wollen Sie schon entschuldigen,
der Herr v. Massow ist unser guter Freund.“
Dem gütigen Worte aus soò scbönem Munde war nicht zu widerstehen.
Die Engländer mochten wohl denken, wer soleb eine Fürsprecherin habe,
verde Venigstens nicht gehängt, und gingen auf gut Glück mit. Iu
heitersten. Gespräche, in welchem die sehöne Dame voll Entzücken von
England sprach, schritten sie dahin, und den Engländern ging das Her⸗
ad der Mund auf, und ohne Rückhbalt sprachen zie ihr Urteil über alles
aus. NMan zeigte ihnen jeden schönen Pünkt, jeden anziehenden Gegen-
stand, und unvermerkt wurde der Weg nach dem Schlosse genommen.
Als bie endlich in die Nähe desselben gekommen waren, wo in tiefste
Ehrerbietung die Dienerschaft in königlicher Dienstkleidung hbarrte, und
Herr v. Massow, der Hofmarschall des Königs, ehrerbietigst herantrat und
dem einfachen Paare ankündigte, das Prubstück sei zu Befebl. — da
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