Full text: [Teil 2, [Schülerband]] (Teil 2, [Schülerband])

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js achthundert Arbeiter Winter und Sommer ihr Brot, und es werden au 
liess Weise jährlich etwa 40 000 Pfund Bernstein im Werte von etwa 
300 000 Mark gewonnen. 
Es ist heutzutage ausser Zweifel gestellt, dass deèr Bernstein das Harz 
eines Baumes ist. Das Bernsteinharz wurde teils an den Wurzeln der Bern— 
teinbäume ausgeschieden oder angesammelt, wo die grössten Klumpen ge— 
nn haben mögen, teils tropfte dasselbe von den Zweigen, bildete die nicht 
eltene Zapfen- und Tropfenform und fiel auch wohl auf abgefallene, am Boden 
liegende Blätter, deren Form es uns im Abdruck erhalten hat, wie wir auch 
on der Tierweltder Bernsteinwälder durch die im Stein eingeschlossenen 
Larven, Raupen, Bienen, Ameisen, FPliegen, Kãfer, Asseln, Spinnen, Tausend- 
füsse, kleine Schmetterlinge, Landschnecken Kunde haben. Das Harz war 
beim Ausfliessen ohne Zweifel leieht und dünnflüssig und so wenig zähe, 
dass kleinere, schwächere Insekten, Mücken, Ameisen, Termiten, Spinnen zu— 
rũckgehalten wurden und sich zuweilen mit Verlust eines Fusses oder 
lügels mitten in die Masse hinein arbeiteten, grössere und stärkere Insekte 
aller Art aber entflohen. Letztere finden siech daher höchst selten, meist 
halb zerstört oder auf der einen Seiteé mit Schimmel überzogen, ein Beweis, 
dass sie schon tot von Harz umflossen wurden. 
Dor Bernsteinwald bedeckte wahrscheinlich ein sehr ausgedehntes Ge- 
biet ĩm Norden der Erdkugel; wo aber die Hauptmasse geblieben ist, wo die Kohlen 
lager sind, in denen dieselben niedergelegt sind, vissen wir zur Zeit noch nicht. 
In den ältesten Zeiten ist das Auflesen des Bernsteins am Strande, das 
Schöpfen aus der See und das Graben aus dem Seesande und den Strand⸗ 
bergeèn jedermann erlaubt gewesen. Nachdem die deutschen Rätter das 
Samland unterjoeht hatten, setzten sie eigene Bernsteinmeister und Strand- 
nechte ein, welche das Auflesen und Schöpfen des Steins, sowie dessen 
blieferung überwachen mussten. Auch gestatteten sie niemand, Bernstein 
auf eigenê Rechnung zu vertreiben. Kein Bernsteindreher durfte sieh in 
Preussen niederlassen. Der Unterschlagung wurde mit rücksichtsloser Strenge 
und ausgesuchter Grausamkeit entgegengetreten. Wer beim Bernsteindiebstahl 
oder beim Auflesen des Bernsteins betroffen wurde, ward ohne weiteres am 
nächsten Baum aufgeknüpft. Später unter den Markgrafen und Kurfürsten 
wurden besondere Bernsteingerichte eingesetzt und die härtesten Bern- 
steinstrafordnungen erlasseèn, die jede Unterschlagung von Bernstein mit 
Gefãngnis, Staupensehlag, Strang und Schwert bedrohten. Ein Kranz von 
Galgen umgab den schönen Strand des Samlands, und alle Strandbewohner 
mussten deun Bernsteineid schwören, d. h. sich verpflichten, allen Bernstein, 
den sie in Privathänden wussten, zur Anzeige zu bringen und hierbei weder 
Pltern noch Geschwister zu schonen. Aber trotzdem und trotz aller sonstigen 
Bedrũückungen war der ausgeédehntesten Unterschlagung und Verheimliechung 
des Bernsteins nicht vorzubeugen; denn die armen Strandbewohner erhielten 
als Entschãdigung für die anstreèngende und gefährliche Arbeit des Schöpfens 
nieht mehr als das gleiche Mass Salz, dessen sie bei ihrem Fischereibetriebe 
notwendig bedurften. Diese unnatürlichen Verhältnisse führten später zur 
erpacbtung der Bernsteinnutzung an Danziger Kaufleute; die grossen 
Erfolge dieser Pächter veranlassten dieé Regierung, die Bernsteingewinnung 
rieder selbst in die Hand zu nehmen, und nun vwechselten Selbstver— 
raltung und Vverpachtung wiederholt mit einander ab. Erst zu Ende 
des vorigen Jahrhunderts wurde der Bernsteineid beseitigt, im Jahre 1837 
aber überliess Friedriech Wilhelm III. die ganze Bernsteinnutzung am Strande 
on Danzig bis Memel gegen eine Pauschsumme von dreissigtausend Mark 
en Anwohbnern und Strandgemeinden. Damit wurde der Strand wieder frei, 
alle Bedrückungen schwanden, und es droht nicht mehr jedem harn losen 
Besucher des Strandes für seine Freude an der grossartigen Natur die Ver—
	        
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