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alle die armen Eindringlinge verloren; sie werden mit Gemächlichkeit ausgefischt.
Auf diese Weise wird ein Fang oft ungeheuer reich. Man hat schon acht- bis
zehntausend Tonnen aus einer Bucht gezogen, und ebensoviel waren erstickt
durch das gewaltsame Zusammendrängen der Tiere. Ohne Zweifel kann man
annehmen, daß jährlich an den Küsten Norwegens, Englands und Hollands und
in der Ostsee weit über tausend Millionen Heringe gefangen und wohl eine
noch größere Zahl von den Raubfischen verschlungen werden. Endlich im März
senken sich die Scharen mehr und mehr in die Tiefe, und mit dem Ende des
Monats verschwinden sie gewöhnlich ganz. Der Fang ist beendet, und die Fischer
ziehen nach Haus, um zu empfangen, was sie vom Kaufmann zu fordern haben.
3. Die Zigeuner und ihre Lebensweise.
Nach E. A. Quitzmann.
Einsame Feuer am abendlichen Horizont bezeichnon die Lagerstellen
der Wanderzigeuner, welehe ohne festen Wohnsitz in Siebenbürgen und
Ungarn herumstreifen, von Wahrsagen, Kessel- und Pfannenflicken und
ãhnlichem Gewerbe ihren Unterhalt gewinnen und da, wo die Nacht sie
überraseht, ihr durchlöchertes Zelt aufschlagen, ohne Kummer über die
Vergangenheit, ohne Sorgen für dieé Zukunft. Die Zigeuner sind die ver-
achtetste der Nationen, welche dié genannten Länder bewohnen. „Du
bist ein Zigeuner“ — ist das entehrendste Schimpfwort. Alle Laster und
Verbrechen wirft man ihnen vor, und der bevotrechtete Bewohner hält
seinen Hund höher als das Ebenbild Gottes, wenn es ihm als Zigeuner
tgegentritt. Selbst dié Walachen, die nirgends unter den privilegierten
Insassen wohnen dürfen, dulden die Zigeuner nicht unter sich, weshalb
dĩese ausserhalb des Bezirkes der walachischen Strohhütten ihre Erdlöcher
graben müssen. Nichts ist elender als eine solche Zzigeuner-Kolonie.
Eine aus Strassenkot aufgehäufte Erhöhung von einigen Schritten im
Durchmesser bildet die Grundlage der Wohnung, welehe dureh MAushöhlung
des Bodens geräumiger wird. Als Dach wird darüber eine zerlumpteè
Zeltdecke oder Schilf und Unkraut gebreitet, und die einzige Oeffnung
dient als Thür, Fenster und Schlot zugleich. In diesen Löchern kauen
die ganze Familié am Boden um das Feuer herum, und selbst Schweine
und Hunde finden daneben noch ein Unterkommen.
In ihrer Lebensweise und ihren Sitten sind die Zigeuner ganz ihrer
oriéntalen Abkunft getreu geblieben, nur werden dureh verschiledene Ge—
VWerbe mehrere Klassen unter ihnen gebildet. Ueberhaupt scheint es
zwei Rassen von Zigeunern zu geben, indem die einen dureh krauses
Wollhaar, wulstige Liäppen und sehr dunkle Hautfarbe mehr den äthi—
opischen Typus repräsentieren. vährend die anderen dureh hellen Teint,
glatte, glänzend sehwarze Haare und ihre Gesichtszüge sich mehr dem
kaukasischen Typus nähern. Die Zigeuner sind von unbesiegbarer Präg-
heit. und daran, wie an ihrem unwiderstehlichen Hange zum Umhber-
schweifen, sind von jeher die Pläne zu ihrer Kolonisierung und Zivilisierung
gescheitert. Die leiehteste Weise, ihren Unterhalt zu geéwinnen, ist ihnen
die liebste. Dabei herrsecht eine gewisse Eitelkeit als Grundzug ihres
Charakters vor, die man besonders am weiblichen Geschlecht und an den
wWohlhabenderen unter ihnen beobachten kann. So verachtet sie sind, so
können sie gewisse aristokratische Neigungen nicht verbergen. So 2. B.
bekennen sie sich stets zur Religion der Gutsherrschaft und sind heute
Katholiken, morgen Griechen, Protestanten u. 8. w. Denn es schmeichelt
ihrer Eitelkeit, wenigstens in einem Punkte mit dem Herrn auf gleicher
Stufe zu stehen. Obgleich zerlumpt und volb Ungeziefer, weisen sie mit
einer Art von Selbstgefühl auf jene Stammesgenossen; welche sieh Wohnl-