Full text: Klasse 9 (zweites Schuljahr) (Teil 1, [Schülerband])

daß er bald wieder sein ehrliches Auskommen hatte und endlich 
ein wohlhabender Mann ward. Nun geschah es eines Abends, nicht 
lange vor Weihnachten, als der Mann wieder zugeschnitten hatte, 
daß er vor Schlafengehen zu seiner Frau sprach: „Wie wär’s, wenn 
wir diese Nacht aufblieben, um zu sehen, wer uns solche hilfreiche 
Hand leistet?" Die Frau war’s zufrieden und steckte ein Licht an; 
darauf verbargen sie sich in den Stubenecken hinter den Kleidern, 
die da aufgehängt waren, und gaben acht. Als es Mitternacht war, 
da kamen zwei kleine, niedliche, nackte Männlein, setzten sich vor 
des Schusters Tisch, nahmen alle zugeschnittene Arbeit zu sich und 
fingen an, mit ihren Fingerlein so behend und schnell zu stechen, 
zu nähen, zu klopfen, daß der Schuster vor Verwunderung die Augen 
nicht abwenden konnte. Sie ließen nicht nach, bis alles zu Ende 
gebracht war und fertig auf dem Tische stand, dann sprangen sie 
schnell fort. 
Am andern Morgen sprach die Frau: „Die kleinen Männer 
haben uns reich gemacht, wir müßten uns doch dankbar dafür be¬ 
zeigen. Sie laufen so herum, haben nichts am Leib und müssen 
frieren. Weißt du was? Ich will Hemdlein, Rock, Wams und Hös- 
lein für sie nähen, auch jedem ein Paar Strümpfe stricken; mach 
du jedem ein Paar Schühlein dazu!" Der Mann sprach: „Das bin 
ich wohl zufrieden," und abends, als sie alles fertig hatten, legten 
sie die Geschenke statt der zugeschnittenen Arbeit zusammen auf 
den Tisch und versteckten sich dann, um mitanzusehen, wie 
sich die Männlein dazu anstellen würden. Um Mitternacht 
kamen sie herangesprungen und wollten sich gleich an die 
Arbeit machen, als sie aber kein zugeschnittenes Leder, son¬ 
dern die niedlichen Kleidungsstücke fanden, verwunderten sie sich 
erst, dann aber bezeigten sie eine gewaltige Freude. Mit der größten 
Geschwindigkeit zogen sie sich an, strichen die schönen Kleider 
am Leib und sangen: 
„Sind wir nicht Knaben glatt und fein? 
Was sollen wir länger Schuster sein!" 
Dann hüpften und tanzten sie, sprangen über Stühle und Bänke. 
Endlich tanzten sie zur Tür hinaus. Von nun an kamen sie nicht 
wieder. Dem Schuster aber ging es wohl, so lange er lebte, und es 
glückte ihm alles, was er unternahm.
	        
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