Full text: Klasse 8 (drittes Schuljahr) (Teil 2, [Schülerband])

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151. Der Zaunkönig. 
Jakob und Vilhelm Grimm. 
In den alten Zeiten hatte jeder Klang noch Sinn und Be- 
deutung. VWenn der Hammer des Schmieds ertöõnte, so rief er: 
„Smiet mi to! Smiet mi tol“ Wenn der Hobel des Tischlers schnarrte, 
s0 sprach er: „Dor häst! Dor, dor häst!“ Fing das Räderwerk 
der Mühle an zu klappern, so sprach es: „Help, Herr Gott! Help, 
Herr Gott!“ und war der Müller ein Betrüger und ließ die Mühle 
an, so sprach sie hochdeutsch und fragte erst langsam: „Wer ist da? 
WVer isst da?“ dann antwortete sie schnell: „Der Müller! Der Müller!“ 
und endlich ganz geschwind: „Stiehlt tapfer, stiehlt tapfer, vom 
Achtel drei Sechter.“ 
Zu dieser Zeit hatten auch die Vögel ihre eigene Sprache, die 
jedermann verstand; jetzt lautet es nur wie ein Zwitschern, Kreischen 
und Pfeifen und bei einigen wie Musik ohne Worte. Es kam daher 
den Võögeln in den Sinn, sie wollten nicht länger ohne Herrn sein 
und einen unter ihnen zum König wählen. Nur einer von ihnen, 
der Kiebitz, war dagegen: frei hatte er gelebt und frei wollte er 
ssterben, und angstvoll hin und her fliegend, rief er: „Vo bliew ick? 
WVo bliew ick?“ Er zog sich zurück in einsame und unbesuchte 
ssümpfe und zeigte sich nicht wieder unter seinesgleichen. 
Die Vögel wollten sich nun über die Sache besprechen, und 
an einem schönen Maimorgen kamen sie alle aus Wãldern und 
Feldern zusammen, Adler und Buchfink, Eule und Krãhe, Lerche und 
Sperling, was soll ich sie alle nennen? Selbsst der Kuckuck kam und 
der Wiedehopf, ssein Küster, der so heißt, weil er sich immer ein paar 
Tage frũher als jener hören läht; auch ein ganz kleiner Vogel, der 
noch keinen Namen hatte, mischte sich unter die Schar. Das Huhn, 
das zufãllig von der ganzen Sache nichts gehõört hatte, verwunderte 
sich über die große Versammlung. „Wat, wat, wat is den dar to 
don?“ gackerte es, aber der Hahn beruhigte seine liebe Henne 
und sagte: „Luter riek Lüd.“ erzählte ihr auch, was sie vor hätten. 
Es ward aber beschlossen, daß der König sein sollte, der am höchsten 
fliegen könnte. Ein Laubfrosch, der im Gebũsch sab, rief, als er das 
hörte, warnend: „Natt, natt, natt! natt, natt, natt!“ weil er meinte, 
es würden deshalb viel Tränen vergossen werden. Die Krähe aber 
sagte: Quark ok!“: es sollte alles friedlich abgehen.
	        
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