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Sehet, wie schaurig die Lüfte sich schwärzen, Siehe, nun stürzen die himmlischen Quellen
Mittag verkehrt sich in dämmernde Nacht; strömend ergießen die Wolken den Schoß,
Stille wird's draußen, es klopfen die Herzen, Dächer, sie traufen, und Bäche, sie schwellen,
mächtige Tropfen schon melden sich sacht: alle die Schleusen des Himmels sind los;
Plötzlich ein Blitz, der mit feuriger Lohe Dämmernd verschwindet im düsteren Regen
blendet das Aug' und erhellt das Gemach, Himmel und Erde, die weite Natur,
Und durch das Himmelsgewölbe, das hohe, Aber den süßen, befruchtenden Segen,
rollet der Donner mit dumpfem Gekrach. durstig verschluckt ihn die lechzende Flur.
Ihr Kinder, lobt den Herrn der Welt,
er tränkt die Flur, er labt das Feld,
Er schmückt das Blümlein, speist den Wurm
und segnet auch im Wettersturm;
Behüt uns Gott in Gnaden!
Milder schon fallen die silbernen Tropfen;
munter schon zwitschert ein Sperling vom Dach,
Frisch in der Werkstatt vernimmt man das
Klopfen,
all das verschüchterte Leben wird wach;
Fern am Gebirg, dahin er gezogen,
murrt noch der Donner, ein fliehender Leu,
Aber am Himmel der leuchtende Bogen
kündet's der Erde: Der Herr ist getreu.
Ihr Kinder fleht zum starken Gott:
Erbarme dich, Herr Zebaoth,
In Donnerhall und Blitzesschein
vertrauen dir die Kindlein dein.
Behüt uns Gott in Gnaden!
habt ihr die feurige Schlange gesehen?
hört ihr den plötzlichen, schmetternden Streich?
Ist in der Stadt wo ein Unglück geschehen?
wimmert vom Turme das Glöcklein sogleich?
Nein, es ist stille; — auf feurigem Wagen
fuhr uns im Wetter Jehovah vorbei;
Aber nicht wollt' er mit Jammer uns
schlagen,
denn er ist gnädig, barmherzig und treu.
Ihr Kinder, fleht im Blitzeslicht:
Herr, geh mit uns nicht ins Gericht,
Mit Wetterschlag und Feuersnot
verschon, verschon uns, lieber Gott,
Behüt uns Gott in Gnaden!
Ihr Kinder auf, hinaus ins Feld,
wie weht's und duftet s durch die Welt!
Wie glänzt die Luft, wie perlt die Flur;
hab Dank, o Herr der Kreatur,
Behüt uns Gott in Gnaden!
201.
Die Halligen.
Gon Joh. Christ. Biernatzki.)
AN der Westküste des Herzogtums Schleswig finden sich, umflutet von
den Wogen der Nordsee, mehrere Inseln, die als Überreste einer zusammen⸗
hängenden Landstrecke, welche dem Meere zum Raube geworden ist, den Bewohner
des festen Küstenlandes daran erinnern, sich mit allen ihm zu Gebote stehenden
Mitteln der Fluten zu erwehren.
Die größeren dieser Eilande sind teils durch Deiche (künstliche Seedämme),
teils durch Dünen (natürliche Höhen von Meersand) vor den Wogen geschützt,
die, täglich mit Flut und Ebbe kommend und gehend, immer neue Versuche zu
machen scheinen, die letzten Brocken ihres großen Raubes in den gierigen Schlund
des Meeres hinunterzuziehen. Bei der Ebbe geht die See so weit zurück, daß
ein meilenweiter, weicher Schlickgrund bloßgelegt wird, der noch in kräuselnden
Zügen das Bild der Wogen darstellt, die ihn vor wenigen Stunden überfluteten.
Einzelne Rinnen und andere Senkungen werden aber auch dann nicht wasserleer,
und besonders winden sich für jene Zeit sichtbar rings um die Inseln die mit
einander und mit dem zurückgewichenen Ocean zusammenhängenden sogenannten
Tiefen, gleichsam Schlangenarme, mit denen der eine Zeit lang an anderen