Full text: [Teil 2 = (4. und 5. Schuljahr), [Schülerband]] (Teil 2 = (4. und 5. Schuljahr), [Schülerband])

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„Ja, Mutter, am Christbaum. Es riecht immer so gut, wenn ein 
heißer Wachstropfen auf die Tannenzweige fällt." 
„Natürlich, du denkst gleich wieder an Weihnachten. Aber weißt du 
noch, wie wir neulich in der katholischen Kirche waren?" 
„O gewiß, Mütterchen, und dort brannten auf dem Altar ganz große, 
dicke Lichter; waren die aus Wachs?" 
»Ja, Jutta; und lange Zeit benutzte man solche Kerzen nur zum 
Gottesdienst oder bei einem besonders festlichen Anlaß; denn das Wachs 
war teuer. Die einheimischen Bienen vermochten trotz allen Fleißes nicht 
so viel zu liefern, als man brauchte. Da holten es die italienischen Kauf- 
leute aus den Ländern des Südens und Ostens und wurden sehr reich 
dabei. Um aber im täglichen Leben einen Ersatz für diesen kostbaren Brenn¬ 
stoff zu haben, nahm man Fett, das sehr gut brennt, wie du wohl schon 
in der Küche gesehen hast; und so entstanden allmählich die Talg- oder 
Unschlittlichter, die man freilich jetzt nur noch selten verwendet. Wenn ich 
aber als kleines Mädchen zuweilen über die schlecht brennende Lampe 
seufzte, sagte dein lieber Großvater immer: „Kinder, beklagt euch nicht! 
Wie habt ihr es jetzt gut! In unserer Jugend ging es einfacher her; da 
saß die ganze Familie um den runden Tisch, die Mutter mit dem Strick- 
zeug, der Vater las, die Schwestern nähten und strickten, und ich machte 
meine Schularbeiten. Für uns alle brannte ein einziges Talglicht mit 
einem schlechten Dochte, das immer lange „Schnuppen" machte, und alle 
Augenblicke hieß es: „Kinder, putzt doch einmal das Licht, es ist ja ganz 
dunkel." — Zu diesem Zweck hatte man die Lichtputzscheren; ich will dir 
nachher eine sehr schöne zeigen, die ich aufbewahrt habe." 
4. „Ist es wahr, Mutter, daß die Eskimos die Talgkerzen essen?" 
„Kerzen essen sie natürlich nicht; aber die Natur verlangt, daß man 
tn kalten Gegenden viel Fett zu sich nimmt, und deshalb verzehren sie 
allerdings Talg und Tran, den du ja aus Erfahrung auch kennst." 
„Ach ja, den schrecklichen Lebertran, den ich so lange habe nehmen 
müssen. Aber was sind denn das für Lichte, die wir jetzt brennen?" 
„Das sind Stearinkerzen, die auch aus Fett bestehen, nur ist es sorg¬ 
fältiger gereinigt und zubereitet; und unsere Dochte bestehen aus gefloch¬ 
tenen oder gedrehten Baumwollfäden, die leicht brennen und nicht so viel 
Kohle bilden. Über all den Lichtern hat man aber die alten Öllampen nicht 
vergessen; sie wurden allmählich verbessert und verschönert, und du findest 
noch heutzutage in manchen Haushaltungen solch eine gute alte Freundin, 
deren mildes, ruhiges Licht eigentlich viel angenehmer und den Augen 
wohltuender ist als die Gas- und Petroleumlampen." 
„Das war gewiß ein Erstaunen und eine Freude, als die ersten 
^aslaternen brannten; nicht, Mutter?" 
„Freilich, denn der Unterschied war sehr groß; hatte man doch früher 
entweder gar keine Straßenbeleuchtung und mußte seine eigene Laterne 
mitnehmen, oder eine Öllampe hing an einer quer über die Straße ge- 
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