Full text: Kleineres Lesebuch für Fortbildungsschulen in Stadt und Land

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Am andern Morgen, als der Stoffel aufwachte, kamen ihm die 
Stiefel, wenn man alles zusammenrechnet, auf acht Gulden. 
Mere Wenn du an keinem Wirtshause vorbei kannst, ohne 
hineinzugehen, so geh nicht auf den Markt, um Stiefel zu kaufen; es 
wird nichts dabei erspart, und sie sind ohnedies nicht so gut, als die an— 
dern, die du beim Schuster bestellt hast. Oldenburger Volksbote. 
8. Gebückt! Gebückt! 
oder 
Mit dem Hute in der Hand 
kommt man durch das ganze Land. 
Als ein Jüngling von achtzehn Jahren kam der in der Folge so 
berühmt gewordene Benjamin Franklin von einem nach Pennsyl— 
banien gemachten Ausfluge in seine Vaterstadt Boston zurück und be— 
re den damaligen Prediger Mather, der ihn sehr liebreich aufnahm 
ind ihn beim Weggehen einen kürzeren Weg aus seinem Hause führte. 
Die Nebenthür war aber so niedrig, daß ein erwachsener Mensch sich 
bücken mußte, um nicht an den Querbalken zu stoßen. Franklin sprach 
wahrend des Fortgehens mit seinem leutfeligen Fuͤhrer und sah daher 
nicht aufmerksam vor sich hin. „Gebückt! Gebückt!“ rief auf einmal 
der Prediger; aber in dem Augenblicke fühlte Franklin schon den Balken 
an der Suirne. „Merk er sich den kleinen Unfall!“ sagte jener. „Er 
ist jung und hat die Welt vor sich. Buͤck' er sich auf dem Wege, und 
en wird sich manchen harten Puff ersparen.“ 
Diese Sittenlehte machte bei dem jungen Franklin einen so tiefen 
Eindruck, daß er sich ihrer in einem Alter von 79 Jahren noch erinnerte 
und sie einem Sohne des erwähnten Predigers mit sepen Zusatze 
erzählte: „Dieser gute Rat ihres feligen Vaters, so in Kopf und Herz 
eingeprägt, ist mir ungemein nützlich gewesen, und noch jetzt fällt er 
min gewöhnlich ein, wenn ich sehe wie der Hochmut oft gedemütigt 
wird, und wie so mancher sich unglücklich macht, weil er die Nase zu 
hoch trägt.“ 
Diese kurze rprlnnt sagte Vater Gerhard seinen Enkeln zum 
Nachschreiben vor. haite mehr als hundert dergleichen gesammelt, 
die ex nach und nach von den Kindern en ließ, weil er glaubte 
daß das Selbstgeschriebene besser im Gedächtnisse hafte. Dergleichen 
Erzählungen hielt er für die wirksamsten Mittel, nützliche Wahrheiten 
ind Lebensregeln nicht nur angenehmer, sondern auch nachdrücklicher zu 
machen. Mit den allermeisten hatte er ein Sprichwort verbunden, 
die Sillenlehre der Erzählung in wenigen Worten enthielt. 
Fehle nun einer seiner Enkel, oder kam von irgend einem Fehler etwas 
in Gespraͤch und gemeinen Leben vor, so pflegte er nur das Sprich⸗ 
wort, einen Namen oder ein paar Worte aus dieser oder n Erzählung 
anzuführen, und es that gewöhnlich bessere Wirkung, als die umständ⸗
	        
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